30 Jahre Berufserfahrung im liturgischen Bereich und heute zuständig für die bischöfliche Liturgie – hier könnte die Rede von einem Priester sein, dabei kann dies alles die 63-jährige Margret Schäfer-Krebs verzeichnen. Für berufen erzählt die Pastoralreferentin aus Rottenburg über ihren Weg als Frau in der Kirche und dass Liturgie mehr ist, als eine festgelegte Abfolge an Ritualen.

Haben Sie einen Berufungsmoment?
Nach der Hauptschule ging ich auf das Aufbaugymnasium in Rottweil. Ich habe mit dem Beruf der Lehrerin und mit dem Medizinstudium geliebäugelt. Vor dem Abitur sollte ich mein Französisch aufbessern. Eine Bekannte aus der Jugendarbeit von meinem Heimatort, Horb-Talheim, machte mich auf die preisgünstige Möglichkeit aufmerksam, im französischen Wallfahrtsort Lourdes mitzuarbeiten. Dies tat ich dann während der ganzen Sommerferien. Eines Abends traf ich im Camp des Jeunes auf einen Pfarrer, der mit einer Jugendgruppe aus Norddeutschland angereist war. Er lud mich in den gleich beginnenden Gottesdienst mit der Gruppe ein. Der Gottesdienstbesuch war mir von Kindesbeinen an vertraut, aber innerlich so berührt war ich noch nie. Nach diesem Gottesdienst hat sich mit diesem Pfarrer noch ein Gespräch entwickelt bis morgens um 4 Uhr; dann sagte er: „Fräulein Schäfer, wenn Sie möchten, gehen wir jetzt noch an die Grotte.“ Ich mochte – so wurden dieser Abend und diese Nacht entscheidend, mir erhellte sich in dieser Begegnung so vieles, und bis heute ist es mir so, als wenn sich damals „der Vorhang“ für einen Moment geöffnet hätte und etwas passiert wäre, hinter das ich nicht mehr zurück kann. In dieser Kirche zu arbeiten war dann bald mein Berufswunsch, noch ohne Ahnung, welche Möglichkeiten es für mich als Frau gibt. „Sie können Pastoralreferentin werden“ hat mich Herr Seeger von Berufe der Kirche aufgeklärt. Ich habe dann diesen Weg gewählt, nicht als Berufsziel, sondern als Möglichkeit für meinen „Berufungswunsch“. Was man als Frau in einem kirchlichen Beruf alles nicht darf und die ganzen Fragen nach den Rollen, das hatte ich damals noch nicht auf dem Schirm und es war auch nicht meine erste Frage. Wäre ich ein Mann gewesen, wäre ich wohl Priester geworden.

Und Sie sind immer noch zufrieden mit Ihrer Entscheidung?
Ich habe sie zumindest nicht bereut und das innere Feuer ist mir auch noch nicht ausgegangen. Aber man braucht natürlich eine gewisse Frustrationstoleranz, in einigen Punkten als Frau besonders. Und die Spannung auszuhalten zwischen dem, was ich als Sehnsucht spüre und was mich immer noch begeistert, und dem, was das Arbeiten in der Kirche als Institution mit sich bringt, ist manchmal schwierig.

Sie haben das Thema Frauen in der Kirche angesprochen. Mittlerweile gibt es eine Caritas-Präsidentin und auch das ZdK hat eine Frau an der Spitze. Auch Sie haben jetzt eine Stelle inne, die vorher nur Männer bekleidet haben. Glauben Sie, Sie machen als Frau etwas anders in diesem Job?
Ja, aber das liegt schlichtweg auch am Stellenumfang. Ich arbeite nur 50 Prozent auf dieser Stelle und wohne und arbeite auch nicht im Bischofshaus. Was allerdings ein Unterschied zu meinen jüngeren Vorgängern ist, ist die 30-jährige Erfahrung im liturgischen Bereich, die ich mitbringe.

Was ist Ihnen denn in der Liturgie wichtig?
Ich achte bei der Vorbereitung eines Gottesdienstes besonders darauf, was der Anlass ist, was der liturgische Kalender sagt und wer alles, auch musikalisch, mitwirkt. Die Liturgie muss nicht perfekt, aber stimmig sein – gottvoll und den Menschen nah, wie es Professor Zulehner einmal gesagt hat. Deshalb frage ich mich auch, welche Menschen werden wohl kommen. Bei Gottesdiensten mit Behinderten zum Beispiel, da schaue ich schon, dass es auch Gebete sind, die sprachlich passen. Es geht beim gesamten Zusammenspiel von Gebeten, Liedern, Symbolhandlungen, vom Zelebranten, den Beteiligten und Mitfeiernden darum, in feiernder Gemeinschaft mit Gott zu sein. Wir versammeln uns nicht nur, sondern wir werden von Christus versammelt. Mit diesem Bild im Hintergrund versuche ich meine Arbeit zu tun, wohlwissend, dass vieles bzw. das Eigentliche nicht machbar ist.

Ist es dann, wie bei einem Schriftsteller, der schaut, für welche Leser er schreibt, dass Sie schauen, für welche Gläubige Sie den Gottesdienst vorbereiten?
Ja, auch, aber man bewegt sich in so einem Dreieck, denn Liturgie ist eine Begegnungsgeschichte. Gott, ich persönlich und wir als Gemeinschaft. Und in diesem Dreieck bewege ich mich. Es geht auch nicht nur um die Zelebration von Tagesbefindlichkeiten, es geht vielmehr um die Begegnung mit Jesus Christus. Er hat eine Frohbotschaft für uns, hinein in unser Leben als Gemeinde und für jeden Einzelnen und jede Einzelne. Und dieses Spiel muss „stimmen“, und alles was wir tun, hat dieser Begegnung zu dienen.

Haben Sie einen Lieblingsmoment in der Liturgie?
Ja, in der Messliturgie ist für mich ein ganz heiliger Moment die Gabenbereitung. Wir besingen es manchmal so: „Herr, wir bringen in Brot und Wein unsere Welt zu dir.“ Mein Leben, unser Leben, so wie es ist, bringen wir vor Gott. Und es wird von ihm liebevoll angenommen – und gewandelt, für mich immer wieder ein grandioser Moment und Gedanke,
da öffnet sich und da bewegt sich was. Ich war auch schon zweimal in Afrika und habe eine richtig ausgiebige Gabenprozession miterlebt. Die Leute bringen da Mangos und Ananas, Bananen, Bier und Sprudel und auch mal ein Huhn oder Lamm zum Altar. Frucht der Erde, der menschlichen Arbeit. Alles hat Platz vor Gott und wird ihm anvertraut und er wandelt es zum Segen „für uns und die ganze Kirche“. Was für eine Verheißung.

Ist die Frage berechtigt, welche Rolle die Frau in der Liturgie spielt?
Ja klar, sie ist berechtigt. Was die Frage nach dem Zugang zu den Weiheämtern angeht und damit zur Leitung von Gottesdiensten, die diesen Ämtern vorbehalten sind, bin ich ganz bei dem, was Sr. Philippa Rath sagt. Die Berufung zu diesen Ämtern haben Männer und Frauen. Wenn die Kirche diese Berufungen von Frauen nicht annimmt, dann beschneidet sie sich selbst, ganz zu schweigen von der personalen Situation hierzulande. Frauen haben diese Berufung aber nicht wegen des Priestermangels oder anderer Defizite, sondern sie haben sie genauso geschenkt, wie Männer. Ich sage auch nicht, dass Frauen die besseren Priester wären. Es geht auch nicht darum, die jetzigen Verhältnisse zu verdoppeln, vielmehr müssten Männer und Frauen gemeinsam und sich ergänzend fragen, was diese Berufung spirituell bedeutet und wie sie heute mit den Menschen und für die Menschen gelebt werden kann. Im Endeffekt muss sich aber jeder und jede in einem kirchlichen Beruf fragen, bin ich noch in der Spur Jesu und arbeite ich für das von ihm verkündete Reich Gottes. Und egal wer am Altar steht, derjenige muss sich fragen, was mache ich hier und für wen mache ich das?

Sie haben schon so viel in Ihrem Leben erreicht, würde jetzt noch das Amt der Priesterin fehlen?
Für mich persönlich ist dieses Thema allmählich abgevespert. Über 25 Jahre habe ich liturgische Dienste aus- und fortgebildet. Ich habe bei Einführungskursen für Kommunionhelfer und -helferinnen hunderten von Menschen die Feier der Eucharistie mystagogisch vermittelt und sie auch praktisch auf ihren Dienst vorbereitet. Dann war es am Ende eines solchen Tages manchmal schon ein Schmerz, genau diese Feier nicht leiten und mit den Teilnehmenden feiern zu dürfen. Andererseits hätte ich es mir auch nicht vorstellen können, mir etwas herauszunehmen, was mir nicht gehört. Der Altar ist nicht zum Erobern da.
Ich möchte aber auch nicht viel Fantasie daran verschwenden, zu überlegen, wie mein Leben verlaufen wäre, wenn ich Priesterin hätte werden können. Das weiß ich einfach nicht. Mir ist klar, weil ich eine Frau bin, war mir dieser Weg versperrt. Das ist schmerzhaft, und das kann man auch nicht wegbeten. Die Frage ist, was mache ich mit dieser strukturellen Verletzung? Mir hat immer wieder die Überzeugung geholfen, dass der liebe Gott mich nicht in der Kirche beschäftigt hat, um mich unglücklich zu machen. Es ist wie bei einer Wunde, wenn ich ständig darin rumbohre, dann wird es gefährlich. Also habe ich das getan, was sich an Aufgaben und Arbeitsfeldern ergeben hat, und das war und ist spannend, da gab es Überraschungen und auch wirklich viele glückliche Momente. Also zumindest war das bisher mein Weg.

Wenn Sie sich eine Sache aus Ihrem Erfahrungsschatz aussuchen müssten, was Sie jungen TheologInnen weitergeben möchten, was wäre das?
Als ich mich fürs Theologiestudium entschlossen hatte, fand ich ein Bibel- und Leitwort, an dem ich bis heute hänge: Zwei Jünger folgen Jesus. Er wendet sich um und fragt sie, was sie wollen. Sie fragen ihn: „Meister – , wo wohnst du?’ Jesus antwortete ihnen: „Kommt und seht.“ Komm und sieh – Ich frage mich immer wieder: „wo stehe ich, wo zieht es mich hin?” Es ist eine Art Nicht-Fertig-Sein. Ich habe bis heute manchmal das Gefühl, ich bin noch am Anfang. Ich will nicht damit sagen, stochere ein Leben lang im Nebel herum. Aber ich bin immer noch beim Kommen und habe noch vieles nicht gesehen. Offen und neugierig und in Bewegung bleiben, das meine ich, ist wichtig.
Ein zweiter Punkt: Sich selbst treu bleiben, dem eigenen Weg vertrauen, in der Beziehung zu Gott treu bleiben. Glauben, dass Gott mit mir eine Geschichte hat. Natürlich kann man da an Grenzen und ins Straucheln kommen. Das kann auf unterschiedlichste Wege führen mit Überraschungen, Enttäuschungen und Verletzungen. Sich selbst und Gott nicht aufzugeben und
treu zu bleiben, halte ich für ebenso wichtig. Manch-
mal habe ich im Nachhinein sogar das Gefühl, im Gott-vertrauen manchen Blindflug hingelegt zu haben. Und dieses Gottvertrauen wünsche ich jedem und jeder. Egal wie der Weg aussieht oder an welchem Punkt der- oder diejenige steht. Und schließlich ist „berufen“ ja nicht auf kirchliche Berufe begrenzt.

Zur Person
Margret Schäfer-Krebs ist 1958 in Horb am Neckar geboren. 1980 begann sie in Tübingen das Studium der katholischen Theologie. Nach der Zeit als Pastoral assistentin wurde sie Leiterin des Pastoralliturgischen Instituts im Liturgiereferat des Bischöflichen Ordinariates. 2000 wurde sie Fachreferentin für Liturgie in der Hauptabteilung VIIIa und übernahm die Leitung des Referats Liturgische Dienste am Institut für Fort- und Weiterbildung der Diözese. 2014 kam dann noch die Stelle der Fachreferentin für Ökumene in der Hauptabteilung VII dazu. Seit August des vergangenen Jahres ist Frau Schäfer-Krebs Referentin für die bischöfliche Liturgie.

TEXT: MANUELA KACZMAREK (26)