ZUR PERSON
Irme Stetter-Karp (66), geboren in Ellwangen, ist promovierte Sozialwissenschaftlerin, Diplom-Sozialarbeiterin und Diplom- Pädagogin. In der Diözese Rottenburg-Stuttgart war sie langjährig tätig, zuletzt bis 2020 als Leiterin der Hauptabteilung Caritas im Bischöflichen Ordinariat. Im November 2021 wurde sie zur Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK) gewählt. Im Juli 2022 erhielt sie mit dem Silbernen Brotteller die höchste Auszeichnung des Deutschen Caritasverbandes.

1. WORÜBER KÖNNEN SIE HERZHAFT LACHEN?
Ich lache gern über eigene Dummheiten, wenn es kleinere sind. Und gern auch über sehr gute Karikaturen!

2. WAS IST IHRE VORSTELLUNG VON BERUFUNG?
Ich verstehe darunter ein intensives Ringen um eine Entscheidung vor einem Wahlamt, vor einer beruflichen oder ehrenamtlichen neuen Tätigkeit. Da gilt es vor allem hinzuhören, was die eigene innere Stimme sagt, und im Gebet immer wieder Begleitung zu erbitten. Berufung spüren heißt für mich: wahrnehmen können, dass ich mit meinen Gaben und Talenten an der richtigen Stelle bin. Das ermöglicht einen vollen Einsatz mit Leidenschaft und Tatkraft.

3. DER FÜR SIE SPANNENDSTE ORT IN DER DIÖZESE?
Da gibt es viele. Ein spannender Ort für das Motto „Kirche in der Welt“ ist für mich der Stuttgarter Hauptbahnhof und mitten darin die Bahnhofsmission, als ältestes ökumenisches Zeugnis. Solche Orte sind WERT-VOLL für die Kirche im 21. Jahrhundert. Das gilt auch für Hospize und andere Orte.

4. WAS HAT IHNEN IN DEN ZEITEN DER LOCKDOWNS/SOCIAL DISTANCING AM MEISTEN GEFEHLT?
Das wöchentliche Schwimmen, das ich seit 30 Jahren gepflegt hatte, und ein fester Händedruck bei Begegnungen.

5. WORÜBER HABEN SIE SICH IN ZUSAMMENHANG MIT KIRCHE ODER THEOLOGIE DAS LETZTE MAL WIRKLICH GEFREUT?
Im Januar 2022 hat mich der große Mut der Betroffenen gefreut, die sich in der Kampagne OutInChurch geoutet haben. Ihrer Treue, ihrer Zivilcourage verdanken wir wesentlich, dass die Grundordnungsreform [Reform der Grundordnung des kirchlichen Arbeitsrechtes, Anm. d. Redak.] jetzt Tempo aufgenommen hat.
Und Ende Mai habe ich mich riesig gefreut über eine Nachricht von Kardinal Juan José Omella aus Barcelona. 7.000 Gläubige haben in der Bistumsphase beim weltweiten Synodalen Prozess gefordert, auf dem Weg zum Priesteramt für Frauen voranzukommen und die Beteiligung der Laien zu stärken.

6. SIE HABEN LANGE DIE HAUPTABTEILUNG CARITAS IN DER DIÖZESE GELEITET. WAS BEDEUTET NÄCHSTENLIEBE FÜR SIE?
Es ist ein existenzieller Wert, gerade auch im 21. Jahrhundert. Es ist als Tatverkündigung ein starker Lackmustest für viele Predigten. Und es ist eine tägliche Herausforderung für alle, die es damit ernst meinen.

7. WENN SIE GOTT EINE EINZIGE FRAGE STELLEN KÖNNTEN, WELCHE WÄRE ES?
War das Geschenk der Freiheit an die Menschen es wert, so viele Kriegsopfer, Vergewaltigte, Folteropfer, Erniedrigte, eine geschundene Schöpfung hinzunehmen?

TEXT: FELIX MAIER (23)