Ob klein oder groß: Neuanfänge brauchen mehr als nur eine Portion Mut. Sie stecken aber auch voller ungeahnter Möglichkeiten. Vier unterschiedliche Menschen berichten uns von ihren ganz eigenen Erfahrungen, ihren mutigen Schritten und von dem Segen, den sie auf ihrem Weg gefunden haben.

Chantal Simeth

Zum ersten Mal Ministrantin sein

Chantal Simeth (22) studiert Angewandte Theologie und Religionspädagogik in Freiburg. Vor einigen Monaten hat sie das erste Mal begonnen, zu ministrieren. In der Gemeinde der Dominikaner in St. Martin hat sie einen Ort gefunden, an dem sie diese neue Aufgabe wagen und sich mit ihrem vielfältigen Dienst aktiv einbringen kann.

Liebe Chantal, was hat dich dazu bewegt, von dir aus das Ministrieren lernen und dich aktiv in den Gottesdiensten einbringen zu wollen?

In meiner Heimatgemeinde lernt man das Ministrieren normalerweise schon direkt nach der Erstkommunion. Ich hatte mich damals aber leider dagegen entschieden. Als ich mich dann mit 15 Jahren mehr mit meinem Glauben beschäftigt habe, war in mir bereits der Wunsch da, doch auch Ministrantin zu werden. Ich habe mich aber nie getraut, zu der Zeit nochmal neu anzufangen. Aufgrund des Studiums bin ich dann nach Freiburg gekommen. Hier habe ich dann in St. Martin zunächst nur als Lektorin angefangen; aber ich habe mich sehr gefreut, als man mich eines Tages gefragt hat, ob ich nicht auch gerne Ministrantin werden würde.

Inwiefern haben dein Dienst und dein Engagement als Ministrantin deinen Blick auf Kirche, Gemeinschaft und Gottesdienste oder auch deine eigene Spiritualität verändert?

Durch meinen Dienst als Ministrantin darf ich aktiv den Gottesdienst mitgestalten. So kann ich nicht nur den Gottesdienst miterleben, sondern merke, dass ich ihn auch gerne mittrage und Verantwortung übernehme. Durch diese Aufgabe habe ich gelernt, dass Kirche im Wesentlichen von Gemeinschaft lebt und dass jeder Einzelne etwas beitragen kann. Außerdem nehme ich den Gottesdienst viel intensiver wahr, weil ich die Abläufe, Symbole und Rituale viel besser verstehe.

Welche Botschaft möchtest du unseren Leserinnern und Lesern mit auf den Weg geben, die selbst vor einem kleinen oder großen Neuanfang stehen oder darüber nachdenken?

Ich selbst habe nicht mehr gedacht, dass ich überhaupt noch Ministrantin werde. Eigentlich war das Thema für mich schon abgeschlossen. Umso mehr habe ich mich gefreut, als man mich gefragt und mir angeboten hat, es zu lernen. Das war wirklich ein Neuanfang, weil ich alles von Grund auf lernen musste, aber es hat Spaß gemacht! Deshalb möchte ich allen mitgeben: Habt keine Angst vor Neuanfängen – manchmal wartet genau dort etwas Schönes auf euch! Vielleicht auch etwas, womit ihr gar nicht mehr gerechnet habt.

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DOMINIK KUNEK (27)

 

Vincenz Schnarz

In einer fremden Stadt neu ankommen

Vincenz Schnarz (26) ist seit 2023 Seminarist im Priesterseminar des Erzbistums Freiburg. Im Rahmen seiner Ausbildung lebte und studierte er ein Jahr lang an der Päpstlichen Universität Gregoriana in Rom. Eine Zeit des Aufbruchs, des Neuanfangs und des Heimkommens inmitten der Weltkirche.

Lieber Vincenz, wie hast Du diesen Neuanfang in einer fremden Stadt, mit einer neuen Sprache und neuen Menschen erlebt? Was hat dir dort geholfen, Fuß zu fassen?

Vor allem zu Beginn war der Sprachkurs eine wertvolle Stütze. Aus dieser Gruppe sind schnell erste Kontakte und Freundschaften entstanden. Darüber hinaus war die Gemeinschaft der Herz-Jesu-Priester ein wichtiger Anker. Ihre Offenheit und Gastfreundschaft haben mir geholfen, mich schnell willkommen zu fühlen. Und nicht zuletzt war es für mich auch der Glaube – das Vertrauen, dass Gott mitgeht.

Die katholische Kirche ist eine weltumfassende Kirche. Wie hast Du diese Spannung in Rom wahrgenommen?

Für mich war jede neue Bekanntschaft ein kleiner Neubeginn: sich auf den Weg zu machen, eine Beziehung entstehen zu lassen! Die Spannungen innerhalb der Kirche habe ich dabei als etwas Lebendiges erlebt. Der Glaube und auch die Theologie lebt vom Dialog, vom Austausch unterschiedlicher Sichtweisen, vom gemeinsamen Ringen um die eine Wahrheit. Sinnbildlich für diese Vielfalt stehen für mich auch Papst Franziskus und Leo XIV.: beide prägen oder prägten ganz persönlich die Kirche, beide begeistern Menschen – und doch können sie es nie allen recht machen. Das zeigt die Spannungen unserer Kirche.

Wie könnten Gemeinden und Gläubige vor Ort den Geist des Neuanfangs leben – gerade auch im Hinblick auf die Veränderungen innerhalb der Kirche in Deutschland?

Das Wichtigste ist, nie den Mut und die Hoffnung zu verlieren, dass Aufbruch in der Kirche auch etwas Gutes hervorbringen kann. Gerade in Zeiten des Wandels brauchen wir als Gemeinden und Gläubige ein tiefes Vertrauen darauf, dass Gott mitgeht – auch wenn der Weg manchmal unklar erscheint. Ein echter Neuanfang in der Kirche braucht den Rückbezug auf Gott. Nur daraus, aus dem Hören auf sein Wort und dem gemeinsamen Gebet, kann ein Aufbruch gelingen, der das Ziel nicht aus den Augen verliert: das Evangelium zu verkünden und das Reich Gottes wachsen zu lassen. Wenn wir in diesem Geist handeln, dann ist jeder Neuanfang ein glaubwürdiges Zeugnis der Hoffnung. Dann können wir, ganz nach dem Motto des Heiligen Jahres, „ Pilger der Hoffnung“ sein.

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DOMINIK KUNEK (27)

 

Gabriela Rothmund-Gaul

Beruflicher Neuanfang mit Ende 50

Gabriela Rothmund-Gaul (59) arbeitet seit Juli 2025 als Redakteurin beim Katholischen Sonntagsblatt. Als Mutter von drei Kindern, über 20 Jahre Teilzeit selbstständig arbeitend und vielseitig ehrenamtlich engagiert, hat sie sich ihren Weg zurück in ein geregeltes Arbeitsumfeld erarbeitet. Nun hat sie es nochmal gewagt, fast Vollzeit und angestellt in einem neuen Job neu anzufangen.

Liebe Gabriela, was bedeutet dieser Neuanfang für dich? Ist es dir leicht gefallen, diesen Schritt zu gehen?

Er war eine bewusste Entscheidung, verbunden mit der Hoffnung, viele Fähigkeiten, die ich über die Jahre außerhalb der Berufstätigkeit erworben habe, einzubringen und anzuwenden.

Die Printmedien verlieren immer mehr an Bedeutung und dennoch hast du dich dazu entschieden, hier deinen Neustart zu wagen. Wie stehst du dazu und was macht diese Unsicherheit, die mit dem Neuanfang Hand in Hand geht, mit dir?

Den Wandel in der Medienlandschaft beobachte und erlebe ich ja schon lange. Das ist hochspannend. Dem Buch wurde der Untergang angesagt, aber es lebt besser denn je. Bei den Tageszeitungen ist das Nutzerverhalten definitiv zugunsten der digital verfügbaren Informationsquellen umgeschlagen. Aber geblieben ist die Notwendigkeit von gut recherchierten Artikeln, um die Menschen zu informieren. Wer weiß, ob das Sonntagsblatt vielleicht auch mal nur noch online verfügbar ist.

Egal wie alt wir sind, ein Neuanfang ist immer ein großer Schritt! Vielleicht gab es schon öfter einen Neuanfang in deinem Leben? Was hast du daraus gelernt und was möchtest du uns mit auf unseren Lebensweg geben?

In der Tat haben wir jeden Tag die Chance zum Neuanfang, mal groß, mal klein. Das Leben ist ein Weg, den wir beschreiten, und da sind mitunter Abzweigungen notwendig, Hindernisse zu überwinden und es geht auf und ab. Ich habe mir immer gesagt, dass es am dümmsten ist, wenn man stehen bleibt. So wagte und wage ich immer das Weitergehen, auch wenn ich nicht im Voraus weiß, was mich um die nächste Kurve erwartet. Langeweile ist dabei nie aufgekommen und so manches Mal habe ich auch gestöhnt, aber frei nach dem Motto „Wer nicht wagt, der nicht gewinnt!“ habe ich damit immer gewonnen: Lebenserfahrung, Freunde, Familie, ein Lächeln, ein Dankeschön und oft Unverhofftes, darunter auch Glücksmomente!

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JULIA GAUL (26)

 

Magdalena Henken-Viereck

Ein Neustart mit Kind und Karriere

Magdalena Henken-Viereck (37) ist seit September 2024 Leiterin des Theologischen Mentorats in Tübingen. Im November 2024 ist sie zum zweiten Mal Mutter geworden. Wie das ihren Alltag prägt und warum ein Neuanfang damit zu tun hat, hat sie uns erzählt.

Für ein Kind ist alles immer ganz neu. Was bedeutet es, diese Entdeckungen im Alltag und in der Welt des Kindes mitzuerleben? Jeden Tag, jedes Mal ein Neuanfang?

Das stimmt, gerade in den ersten Lebensmonaten gibt es ganz viele dieser Neuanfänge. Für mich ist es jedes Mal ein kleiner Glücksmoment, wenn ich bewusst wahrnehmen darf, dass meine Tochter etwas Neues entdeckt. Vor ein paar Tagen habe ich vor ihren Augen eine Kerze angezündet und da war diese große Faszination in ihrem Blick. Für mich sind das besondere Momente, in denen ich die Welt durch die Augen meiner Tochter neu entdecken darf, und so über scheinbar Alltägliches neu staunen kann.

Nach dem Mutterschutz wieder in die Arbeitswelt zu starten und dann auch noch die Chance zu haben, die eigene Tochter immer mitzunehmen, das klingt nach einem Neuanfang, wie man ihn sich vorstellt. Wie war das bei dir?

Ich weiß diese Möglichkeit sehr zu schätzen. Dass es auch eine fordernde Zeit werden würde, war mir im Voraus bewusst. Denn natürlich gab es kräftezehrende Momente, aber dank der Unterstützung meines Mannes in Kombination mit viel Homeoffice, würde ich sagen, dass wir diesen Neuanfang gut gemeistert haben. Zu einem großen Teil auch deswegen, weil unsere Tochter das mit ihrem sonnigen Gemüt ermöglicht hat.

Was können wir aus Neuanfängen lernen? Sind sie wichtig, um nächste Schritte zu gehen, den eigenen Komfort zu verlassen? Was kann uns helfen bei einem Neuanfang?

Das Spannende an Neuanfängen ist, dass man im Voraus nicht weiß, was sie für einen bereithalten. Und so steht man vor der großen Frage, ob man den Herausforderungen, die da kommen, gewachsen ist, ob die eigene Kraft reicht, die Hürden auf dem neuen Weg zu meistern. Aber im Gehen durfte ich die Erfahrung machen, dass ich nicht schon im Voraus alles wissen muss, sondern, dass ich an und buchstäblich in den Herausforderungen wachsen kann. Für mich bedeutet das auch auf die Zusage zu vertrauen, dass Gott der Ich-bin-da ist, der mir für jeden Tag die Kraft schenkt, die ich an diesem Tag brauche. Im Scheitern, wie im Gelingen.

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JULIA GAUL (26)