Nico Schmid ist Vikar in Schwäbisch Hall. In einem Gespräch hat er uns mehr über seinen Weg, seinen Werdegang und seinen Alltag erzählt.
Erzähl doch erstmal, wer du bist, woher du kommst und was du machst!
Mein Name ist Nico Schmid, ich komme aus Schwäbisch Gmünd-Bargau, habe zwei Schwestern, bin 28 Jahre alt und bin Vikar in Schwäbisch Hall. Nach meinem Abitur war ich auf dem Ambrosianum in Tübingen, habe dort das Sprachenjahr gemacht und anschließend in Tübingen und Rom Theologie studiert. Ich bin ein großer Kaffee- und Weinliebhaber, gehe gerne raus in die Natur spazieren, wandern und im Winter auch Ski fahren oder lese einfach ein gutes Buch.
Du bist nun seit etwas über zwei Jahren in der Gemeinde – zunächst als Diakon in der Seelsorgeeinheit Marchtal, seit September 2022 als Vikar in der Gesamtkirchengemeinde Schwäbisch Hall. Wie geht es dir dort?
In zwei Worten: sehr gut! Ich bin sehr glücklich in den fünf Kirchengemeinden. Mein Alltag ist von Vielfältigkeit geprägt und das freut mich jeden Tag. Unter der Woche gebe ich vier Stunden Religionsunterricht in den Klassen 6 und 10 an einem Gymnasium bei uns. Verschiedene Arten von priesterlichen Diensten – also nicht nur Gottesdiensten – stehen sowohl werktags als auch am Wochenende an. Dazu zählen natürlich der klassische Sonntagsgottesdienst, aber auch Taufen, Beerdigungen, Hochzeiten, die Ministrantenarbeit, Krankenhausbereitschaft und Krankensalbungen, Gottesdienste in Seniorenheimen, der Besuch bei älteren Menschen, Gespräche und auch Elemente in der Erwachsenenbildung. Es ist also wirklich sehr vielfältig. Das Tolle ist außerdem, dass ich die ganze Lebensspanne des Menschen in meinem Beruf miterlebe. Bei der Taufe steht der Mensch meistens noch am Anfang seines Lebens und dann begleite ich alle möglichen Lebensabschnitte bis hin zur Beerdigung.
Wie war der Weg der Ausbildung für dich? Ein langes Studium, Praktika, erste Einblicke in die Arbeitswelt, das Leben im Wilhelmstift …
Nie eintönig, immer vielfältig. Die unterschiedlichen Fächer, die ich während meines Studiums belegen durfte, wurden immer auf sehr unterschiedliche Weise angegangen und auf verschiedene Aspekte hin untersucht. Auch das Leben im Wilhelmstift war eine wichtige Erfahrung. Die große Gemeinschaft hat mich sehr geprägt und auch die Verantwortung, die wir füreinander und durch verschiedene Aufgaben hatten, war immer bereichernd. Die internen Hauswochenenden und Einheiten unterschiedlicher Art haben mich auch gut auf Späteres vorbereitet. Während des Studiums musste ich drei Praktika machen. Während meines Auslandaufenthalts in Rom habe ich mein Sozialpraktikum gemacht. Da war ich wöchentlich drei Stunden mit der Gemeinschaft Sant’Egidio bei Obdachlosen, denen wir Essen und Decken gebracht haben. Mein Gemeindepraktikum haben ich in der Gesamtkirchengemeinde Stuttgart-Mitte gemacht und für ein Klinikseelsorgepraktikum war ich während des Diakonats drei Wochen an der Uniklinik in Mainz. Mein Ausbildungsweg war also auch schon von Vielfalt geprägt.
Während meines Studiums in Tübingen lag der Fokus vor allem auf der Theorie, dann hat sich Theorie immer mehr mit der Praxis verbunden, gerade durch die verschiedenen Praktika und im Anschluss an das Studium dann vor allem durch die Vorbereitungszeit auf die Diakonen- und später Priesterweihe im Pastoralkurs des Priesterseminars in Rottenburg.
War für dich von Anfang des Studiums klar, dass du Priester werden möchtest? Oder sogar schon vor dem Studium?
Ich bin ich einer Familie aufgewachsen, in der Religion eine wichtige Rolle spielt. Meine Oma war eine sehr gläubige Frau. Sie hat aus ihrem Glauben immer sehr viel Kraft geschöpft und das hat mich fasziniert. Ich bin dann nach der Erstkommunion Ministrant geworden und der sonntägliche Gottesdienst hat mich als Jugendlicher beruhigt und ausgeglichen. Außerdem habe ich viel Gemeinschaft erlebt mit der Jugendarbeit. Wir hatten tolle Pfarrer, die ihren Beruf aus tiefer Überzeugung, aber fest in unserer Welt gelebt haben. Ich habe in meiner Heimatgemeinde Menschen kennengelernt, die durch den Glauben sehr erfüllt und dennoch bodenständig gelebt haben. Irgendwann habe ich dann gespürt, dass ich mit solchen Menschen zusammenarbeiten möchte, für sie da sein, ihre Freude und Trauer teilen.
Ich muss aber auch dazu sagen, dass ich Kirche immer und ausschließlich positiv erlebt habe. Es war immer Platz für jeden und es wurden Dinge ermöglicht, die kaum jemand ermöglicht hat.
Nach der Schule bin ich aufs Ambrosianum, dort habe ich eine Menge junge Leute kennengelernt, die, genauso wie ich, auf der Suche waren. Menschen, die mit dem Glauben leben wollten. Als ich aufs Ambrosianum ging, war mein Berufsweg noch sehr offen. Er entwickelte sich in Gesprächen, in Begegnungen, durch Erfahrungen und in Gottesdiensten. Ich habe gemerkt, dass es für mein Leben noch etwas anderes gibt und so habe ich beschlossen in den Westflügel, also den Wohnflügel für Priesteramtskandidaten, umzuziehen. Es einfach auszuprobieren.
Hattest du dann einen „Berufungs-Moment“?
Es war kein Moment. Es ist ein Prozess. Ein Prozess mit Höhen und Tiefen, mit vielen Erfahrungen. Jeder Weg ist immer ein Abwägen, nie eine 100%-Entscheidung. Welchen Weg schlage ich ein? Wo werde ich frei? Welcher Weg macht mich frei und ruhig? Es ist dieser Weg, den ich gehe, der mich frei und ruhig werden lässt. Diese Entscheidung war meine eigene, ich habe mit niemanden darüber geredet, bis es so weit war. Ich wollte, dass ich es selber bin, der sich entscheidet, und wollte keinen Zuspruch oder Kommentare von anderen Leuten. Ich habe das mit mir und mit Gott ausgemacht. Nicht einmal meiner Familie habe ich zu Beginn davon erzählt. Als ich dann mit meiner Familie darüber gesprochen habe, habe von ihnen auch nur Unterstützung und Zuspruch bekommen. Ich solle Mut haben für alle Entscheidungen. Das haben mir meine Eltern mit auf den Weg gegeben.
Und was ist deine Berufung als Priester?
Da sein. Auch wenn Belastendes ansteht. Die Wege der Menschen in der Gemeinde zu begleiten, auch zu fragen „Was braucht ihr?“. Und zu wissen, dass die Zusage Gottes da ist. Ihnen zu sagen, dass sie in jeder, auch den schweren Situationen, Gott erfahren können. Das Aushalten gehört auch dazu, bei Kranken, bei Sterbenden. Diesen letzten Weg mit ihnen und Gott zu gehen und nicht nur zu vertrösten. Einfach da zu sein.
Was sind deine Ziele? Hast du Wunschprojekte, die du in der Gemeinde gerne umsetzen würdest?
Ich plane eine Romwallfahrt. Dieses Jahr für Erwachsene und nächstes Jahr mit den Minis und Jugendlichen der Gemeinde. Ich habe Rom als eine unglaubliche Stadt erfahren, habe dort Weltkirche erlebt. Die Begegnungen, die ich selber dort gemacht habe, möchte ich auf dieser Wallfahrt gerne teilen: durch Begegnungen, in Gesprächen und mit der Lebendigkeit des Glaubens.
Du sprichst von einer Wallfahrt für Jugendliche. Wie sieht es denn aus mit den jungen Leuten, sind die in den Gottesdiensten auch zu finden?
Wir sind ein großes Team in Schwäbisch Hall, fünf Gemeinden und über 10 000 Katholiken. Unsere Jugendarbeit lebt von Beziehungen und diese Beziehungen müssen geschaffen werden. Leider wird es immer schwieriger. Die Jugendlichen haben oft schon viel zu tun, da bleibt wenig Platz für Aktivitäten in der Gemeinde. Die Beziehungen beruhen auf Vertrauen und Vertrauen-Finden braucht Zeit. Aber die große Frage, die uns alle beschäftigt: Wenn sie gehen, wer kommt dann nach?
Gibt es noch etwas, dass du uns sagen möchtest?
Man muss nicht alles im Griff haben müssen. Alles hört sich hier so rund an, aber das ist es nicht immer. Schwierigkeiten darf man nicht kleinreden. An den Grenzen, die wir Menschen erfahren, setzt der Glaube an. Und wir können uns immer wieder in Gottes Vertrauen reinbegeben. Während meiner Zeit in der Klinikseelsorge habe ich das oft erlebt. Ich war für die Menschen da, bis ich nichts mehr tun konnte, und dann bin ich in die Kapelle gegangen und habe eine Kerze angezündet und gesagt: „Ich habe mein Bestes gegeben, jetzt bist du dran.“
Gott bahnt sich seinen Weg zu den Menschen so unterschiedlich wie wir Menschen unterschiedlich sind. Das Entscheidende bewirkt er.
TEXT: JULIA GAUL (22)