Seit 2019 ist der Prämonstratenser Johannes-Baptist Schmid (42) Pfarrer in Rot an der Rot. Wie funktioniert der Alltag als Pfarrer und Ordensmann? Ein Besuch.
In strahlendem Weiß steht Pater Johannes-Baptist Schmid in der Tür des Gemeindehauses. Es ist ein historisches Bild. Über 50 Jahre wohnte kein Prämonstratenser mehr in Rot an der Rot. Seit 2019 geht nun wieder „ein Weißer durchs Dorf“, wie die Einwohner freudig sagen. Pater Johannes ist der neue Pfarrer, aber auch Ordensmann, der regelmäßig nach Roggenburg in sein Kloster fährt, um in Gemeinschaft zu essen und zu beten. Er ist ein „Klosterpfarrer“, wie er sagt. Und er ist es gerne. „Für mich ist das das ideale Konzept. Ich kann als Priester wirken und bin trotzdem an eine Gemeinschaft angebunden .“ Rot liegt idyllisch inmitten von Wiesen, die Alpen leuchten am Horizont. Der kleine Ort wirkt unscheinbar, doch historisch gesehen ist er sogar eine der wichtigsten Stationen des Prämonstratenser-Ordens, der 1121 von Norbert von Xanten gegründet wurde. Im Wohnzimmer von Pater Johannes hängt der Ordensstammbaum als Kupferstich an der Wand. Zahlreiche Verästelungen zeigen an, wie sich die Gemeinschaft von Frankreich aus über die Jahrhunderte ausgebreitet hat. „Rot ist kein Ast, Rotum ist hier auf dem Stamm des Baumes eingetragen“, zeigt der Pater stolz.
Er fühlt sich sichtlich wohl, an diese Tradition anzuknüpfen. Auch das Porträt des letzten Abts von Rot an der Rot hat er aufgehängt. „Ich hab gesagt, der muss zu mir“, erzählt er und lacht.
Sein Zungenschlag verrät, dass er aus der Region stammt. In Gutenzell, im Landkreis Biberach, ist er in einer „gut katholischen Familie“ aufgewachsen. Geistliches Leben war für ihn von Kindheit an etwas Vertrautes: Die Familie wohnte neben Franziskanerinnen, und gleich zwei seiner Großonkel waren Priester, einer davon als Salvatorianer im Orden. Trotzdem stand am Anfang nicht der Wunsch, selbst Priester zu werden. „Die Lust an der Theologie hat mein Religionslehrer geweckt“, erzählt er. Ob er damit dann Pastoralreferent oder Priester werde, war offen. „Und ich habe vor dem Studium noch Zivildienst in der Pflege gemacht, das war mir wichtig, daran bin ich gereift“, sagt er.
Wie er dann in Roggenburg gelandet ist? Den An- stoß gab tatsächlich eine Ordensschwester, die er als Zivi pflegte. Ihr Rat: „Schauen Sie sich doch mal die Prämonstratenser an!“ Im Juni 1998, das weiß er noch ganz genau, war er dann das erste Mal dort. „Ich war beeindruckt von der imposanten Klosteranlage. Nur der Gedanke, dass das etwas für mich sein könnte, war nicht da“, erinnert er sich. „Trotzdem habe ich aus irgendeinem Grund einen Flyer mitgenommen, der in der Kirche lag. Darauf waren zu meiner Überraschung lauter junge Gesichter abgebildet. Ich hatte bei Orden immer alte Menschen vor dem inneren Auge, das hat mich positiv überrascht“, sagt er und lächelt.
„Ich habe mich im Kloster gleich zu Hause gefühlt”
Als der Zivildienst beendet war, besuchte Christian Schmid, wie er damals noch hieß, das Sprachenjahr
„Ambrosianum“, um Latein, Altgriechisch und Hebräisch zu lernen und danach Theologie zu studieren. Als die Prüfungen nahten, suchte er nach einem ruhigen Ort, um zu lernen und erinnerte sich an Roggenburg. „Da war die romantische Vorstellung: Lernen unter Stuckdecken!“ Er fragt an und be- kommt ein Zimmer – zu seiner Überraschung fühlt er sich sofort zu Hause. „Obwohl ich dort nur lernen wollte, war es wie ein Ankommen, der Ort, die Gemeinschaft, alles hat sich vertraut angefühlt.“ Rück- blickend würde er sogar sagen, dass das sein Berufungserlebnis war. Er lächelt glücklich bei dieser Erinnerung. „Ich weiß noch ganz genau, wie ich durch die Gänge gegangen bin und auf einmal ganz konkrete Fragen im Kopf hatte, wie zum Beispiel, welchen Namen ich als Pater wählen würde. Das hat mich total überrascht“. Roggenburg und die Prämonstratenser ließen ihn nicht mehr los. Immer wieder war er dann Gast im Kloster. Selbst als er Theologie und Sozialpädagogik in Benediktbeuern studierte und dort mit den Salesianern einen anderen Orden kennenlernte. „Der Kontrast war gerade bestärkend“, erinnert er sich. Im Herbst 2000 war es dann so weit: der Eintritt ins Kloster Roggenburg, der Beginn des Noviziats. Parallel beendete er das Sozialpädgogik-Studium in Benediktbeuern, Theologie schloss er in Augsburg ab.
„Pfarrer und Pater sein geht gut – aber nur wenn man es will“
Während der Ausbildung im Kloster ging er dann für das sogenannte Pastoraljahr nach Ottobeuren, also wieder ins Kloster.
Aus einem bestimmten Grund: Die Benediktiner sind auch in der Seelsorge aktiv. „Es war die Gelegenheit, das Thema Klosterpfarrer schon mal zu inspizieren“, sagt er und schmunzelt. Nach weiteren Stationen wird er 2010 dann selbst Klosterpfarrer in Roggenburg und ist für sechs Gemeinden verantwortlich. „Das waren kleine Dorfgemeinden, gut machbar.“ Zusätzlich ist der engagierte Pater Novizenmeister, Subprior und Ansprechpartner für die Berufungspastoral.
Als klar wird, dass wieder ein Prämonstratenser nach Rot an der Rot kommen soll, ist Pater Johannes sofort bereit. Wenn er davon erzählt, spürt man, dass er die oberschwäbische Heimat liebt und gerne wie- der zurückgekehrt ist. „Und mein Kloster ist auch nicht weit, ich brauche mit dem Auto 30 Minuten, mittlerweile habe ich eine gute Strecke gefunden“, sagt er. Seine 12 Mitbrüder sieht er regelmäßig, einsam fühlt er sich nicht. Das Stundengebet verbindet ihn mit seiner Gemeinschaft. Neben dem Fernseher hat er sich eine Gebetsecke eingerichtet mit einem großen Kreuz. Das hat er aus Roggenburg mitgebracht. Daneben lebe er den typischen Alltag eines Pfarrers. „Gebetszeiten, Verwaltung, Gottesdienste, Seelsorge – viel Computer und viele Abendtermine.“ Er bekommt den Spagat gut hin – Ordensmann zu bleiben und Pfarrer zu sein. „Es geht gut. Aber nur, wenn man es will!“, lautet sein Fazit.
„Prämonstratenser sind zu jedem guten Werk bereit“
Dass die Gemeinde ihn so euphorisch begrüßt, beflügelt den jungen Pater zusätzlich. Lachend erzählt er davon, wie ihm kürzlich ein Viertklässler nachrief: „Guck, da kommt der Papst!“ Das weiße Ordensgewand, das für den römischen Flair sorgt, trägt er gerne. „Die Farbe ist die der Engel am Grab Christi. Wir wollen Zeugen der Auferstehung sein.“ Pater Johannes hat seine Entscheidung für die Prämonstratenser nicht bereut. „Mir hat von Anfang an gefallen, dass der Orden viel Freiheit bietet. Andere, wie die Salesianer sind auf Jugendarbeit oder ähnliches
spezialisiert. Für uns gilt der Satz: Zu jedem guten Werk bereit.“ Auch das spirituelle Fundament, die Ordensregel des hl. Augustinus, ist ihm wichtig. „Das brennende Herz, mit dem er immer abgebildet wird – das ist es. Es geht darum, eine Gemeinschaft zu sein, ein Herz und eine Seele auf Gott hin.“
„Ich bin überzeugt, dass wir als Kirche viel zu sagen haben“
Wie er anderen Menschen erklären würde, was das Leben als Ordensmann ausmacht? „Das kann man nur selbst erleben. Man braucht eine Begeisterung für den Glauben, man muss für Gott, für Jesus Christus brennen“, sagt er. Da ist es wieder, das brennende Herz. Berufung heißt für ihn dementsprechend „der Versuch, Jesus Christus nachzufolgen. Ihn zu verkündigen in unterschiedlichen Kontexten – ob gelegen oder ungelegen. Ich bin überzeugt, dass wir als Kirche viel zu sagen haben“. Er lächelt ein wissendes Lächeln, wenn er das sagt. Pater Johannes ist jemand, der mit seinem Wissen nicht prahlt.
Der Zukunft seines Ordens sieht er gelassen entgegen. „Wir haben eine gute Altersstruktur, der Jüngste ist 29, der Älteste 75 – und auch das Mittelfeld ist breit vertreten.“ Jungen Männern, die sich für die Prämonstratenser interessieren, rät er zu Kloster auf Zeit. „Komm und sieh! Man kann nur rausfinden, ob es was für einen ist, wenn man vor Ort ist.“ So wie er vor 22 Jahren – als er sofort gespürt hat, dass er zu Hause ist.
Text: Alina Oehler (28)