„Die Jugendlichen sollen in mir einem gläubigen Menschen begegnen“

Freitag, 11:15 Uhr, der Pausengong in der Realschule Mühlheim läutet. Die Gänge füllen sich mit Leben und Lärm, die Schülerinnen und Schüler sind unterwegs in den Unterricht. Nach und nach schlendern auch die 20 Neuntklässler, die nun Religion auf dem Stundenplan stehen haben, in ihr Klassenzimmer. Die Lehrerin Stefanie Moser betritt den Raum mit einem freundlichen Lächeln und begrüßt die Schüler. Sie beginnt ihren Unterricht mit einer Bildbetrachtung zum Thema „Achtsam mit dem Leben umgehen“ – „eines meiner Lieblingsthemen“, wie sie später im Gespräch erzählt, „weil man die Jugendlichen hier sehr gut in ihrer eigenen Lebenswelt abholen kann“.

Das ist eines der Ziele, die sich die junge Religionslehrerin selbst gesetzt hat. „Es ist mir wichtig, den Schülerinnen und Schülern zu vermitteln, dass Glaube und Religion etwas sind, was ihr Leben in irgendeiner Art und Weise tangiert und betrifft. Im Lauf des Unterrichts soll Religion für die Jugendlichen nichts Fremdes bleiben.“ Die Motivation dafür spiegelt sich auch in ihren Unterrichtsmethoden wider, wenn Stefanie Moser zum Beispiel ihre Schülerinnen und Schüler durch kooperative Lernmethoden zu Diskussionen und zur Auseinandersetzung mit den Themen im Hinblick auf sich und die Welt anregt.

„Glauben Sie das wirklich?“

Plötzlich meldet sich einer der Neuntklässler: „Glauben Sie das wirklich?“ – „Diese Frage will man nicht schnell in ein bis zwei Sätzen beantworten. Sie fordert einen auch persönlich heraus“, sagt Stefanie Moser im Nachhinein. Trotzdem ist diese Frage eine ihrer Lieblingsfragen, denn sie kann ein sehr schöner „Türöffner“ für weitere Diskussionen und eine vertiefte Beschäftigung mit dem jeweiligen Thema sein: Die Schülerinnen und Schüler können in Stefanie Mosers Antwort einer authentischen Glaubenszeugin begegnen, wodurch die Thematik für sie eine ganz neue Relevanz erhält. Die Lehrerin erklärt überzeugt: „Die Jugendlichen sollen in mir einem gläubigen Menschen begegnen und erleben, dass ich mich mit meiner Glaubensüberzeugung im Dialog stelle und ihnen so in der Auseinandersetzung mit mir ermögliche, einen eigenen Standpunkt zu Themen des Glaubens zu finden; denn an wen können sich Jugendliche aus doch oft eher kirchenfernen Familien heute noch wenden, um über Religion zu sprechen?“ Darin sieht Stefanie Moser eine weitere Herausforderung, der sich der Religionsunterricht stellen muss. Sie nimmt sich deshalb in ihrem Unterricht auch gerne die Zeit, auf individuelle Schülerfragen einzugehen, auch wenn sie dafür von ihrem Unterrichtsplan abweichen muss. „Das ist der große Charme, den der Religionsunterricht für mich im Vergleich zu anderen Fächern bietet – er hat einen unvorhersehbaren Verlauf und bietet viel Raum für Fragen, die Schülerinnen und Schüler an das Leben und die Welt stellen.“

Dass die Jugendlichen bereit sind, ihre je eigenen Fragen in den Religionsunterricht einzubringen, ist für Stefanie Moser aber keine Selbstverständlichkeit. Dazu gehört eine Atmosphäre des Vertrauens und der Offenheit. Für diese muss in erster Linie sie als Lehrerin sorgen. „Ich merke oft, wie sich die Dynamik des Fragenstellens im Schuljahr verändert. Es wächst eine Beziehung zwischen den Lernenden und mir, sodass die Hemmschwelle, eine Frage zu
stellen, geringer wird“, berichtet Stefanie Moser von ihren Erfahrungen. Aber auch die Förderung der Beziehung zwischen den Schülern ist ihr wichtig, damit diese Offenheit für alle Fragen im Religionsunterricht auch wirklich da sein kann, gerade weil es für die Jugendlichen von heute eigentlich durchaus uncool sei, sich für Religion zu interessieren, sagt sie.

Der Unterricht endet für die Neuntklässler schließlich mit einer Abschlussdiskussion, in der jeder Schüler seine Fähigkeit zur dialogischen Auseinandersetzung, Empathie und argumentativen Stellungnahme erproben und stärken soll – es ist eine Fähigkeit, die Frau Moser im Hinblick auf religiöse Bildung sehr wichtig ist. Für die Lehrerin ist klar, dass Religion zu uns gehört – sei es in der kleinen Welt des Alltags oder im großen Weltgeschehen. Schülerinnen und Schülern ist das oft nicht bewusst. Für Stefanie Moser liegt deshalb eine weitere wichtige Aufgabe des Religionsunterrichtes darin, Jugendliche genau dafür zu sensibilisieren und sie zu lehren, verantwortungsvoll damit umzugehen.

„Es ist schön, dass ein so gutes Miteinander mit dem Pastoralteam herrscht“

Der Gong läutet, damit ist für die Jugendlichen der Schultag nun zu Ende. Doch Stefanie Moser bleibt noch in der Schule, um mit ihrem Kollegenteam den anstehenden Schülergottesdienst zu besprechen. Schon das fünfte Jahr in Folge bereiten die Religionsklassen der Realschule Mühlheim gemeinsam einen Jugendgottesdienst für die Gemeinden der Seelsorgeeinheit Donau-Heuberg vor.
„Wir wollten einen Gottesdienst für Schülerinnen und Schüler und das geht am besten, indem man sie selbst aktiv an der Gestaltung beteiligt; denn wer weiß besser, was Jugendliche heute so anspricht als die Jugendlichen selbst?“, erinnert sich Stefanie Moser an die Intention hinter diesem Projekt, das die Schule mit der Kirchengemeinde enger vernetzt hat. Freudig berichtet sie davon, dass als Folge der Gottesdienstgestaltung eine enge Verbindung und Kooperation zum Pastoralteam gewachsen sei, sodass beispielsweise der Gemeindepfarrer Timo Weber einmal in eine ihrer Unterrichtsstunden kam, um sich den Schülerfragen zu stellen, oder Pastoralreferentin Jutta Krause einen Jugendkreuzweg für die Realschüler gestaltete. „Es ist einfach schön, dass ein so gutes Miteinander und eine gegenseitige Offenheit zwischen uns Lehrern und dem Pastoralteam der Seelsorgeeinheit herrscht“, fasst sie begeistert zusammen. Denn ihr ist es im Religionsunterricht neben aller Wissensvermittlung und den genannten Zielen auch wichtig, dass die Schülerinnen und Schüler Orte, Zeiten und Personen des gelebten Glaubens erleben.

Fasziniert erinnert sie sich an das große Gemeinschaftsgefühl, als die Schule einen gemeinsamen Gottesdienst auf die Beine stellte, bei dem sich auch Lehrer anderer Fächer kreativ einbrachten und alle von Klasse 5 bis 10 zusammenarbeiteten. „Dieses Gemeinschaftsgefühl war dann, glaube ich, auch die entscheidende Erfahrung, die dazu geführt hat, dass am Schuljahresanfang Schülerinnen und Schüler auf mich zukamen und gefragt haben, ob es wieder einen solchen von ihnen mitgestalteten Gottesdienst geben werde“, erzählt die Lehrerin.

Die Begeisterung und Motivation für ihr Fach Religion fasst Stefanie Moser ohne langes Zögern so zusammen: „Religion ist herausfordernd zu unterrichten, weil viele Schülerinnen und Schüler kirchenfern sind, aber gleichzeitig auch sehr bereichernd, weil man in der Auseinandersetzung mit ihnen selbst sehr viel zurückbekommt und in der Diskussion mit ihnen spüren kann, dass man sie doch irgendwie erreicht hat, auch oder gerade wenn es um Fragen des Glaubens geht.“

Zur Person

Stefanie Moser (31) hat an der Pädagogischen Hochschule in Weingarten Deutsch, Englisch und Theologie studiert. Nach ihrem Referendariat an der Ludwig-Uhland-Realschule in Tuttlingen kam sie als Lehrerin an die Realschule in Mühlheim an der Donau, wo sie nun seit 6 Jahren tätig ist.

 

Text: Natalie Eichwald (23)