Als Kind stand neben meinem Bett jahrelang ein ziemlich kitschiges Bild. Es zeigt Tobias und Raphael: einen kleinen Jungen an der Hand des geflügelten Engels auf Wanderschaft. Die Szene entstammt dem biblischen Buch Tobit. Darin erzählt eine kurze Lehrgeschichte vom namensgebenden gottesfürchtigen Tobit, der erblindet ist. Dieser schickt seinen jungen Sohn Tobias auf eine weite Reise, um ein im fernen Medien deponiertes Darlehen für seinen Vater zurückzufordern. Auf dem gefährlichen Weg wird Tobias von einem Mann namens Asarja begleitet, der in Wahrheit der Erzengel Raphael ist. Dieser beschützt den Jungen auf dem Weg vor einem riesigen Fisch und hilft ihm nicht nur, den Kredit einzufordern, sondern auch noch eine Frau zu finden, und zeigt ihm, wie er die Erblindung des Vaters heilen kann.

Entsprechend heißt der hebräische Name Raphael übersetzt „Gott heilt“, und obwohl es der Erzengel Michael ist, der als „Schutzengel Israels“ verehrt wird, ist es Raphael, der mit seinem unmittelbaren Eingreifen und als Begleiter auf allen Lebenswegen unsere Vorstellung eines Schutzengels prägt. Wie oft habe ich schon, wenn ich knapp einem Unglück entkommen bin, dankbar an meinen Schutzengel gedacht?

Eine Erzählung von großem Gottvertrauen

Aber die Geschichte von Tobias und Raphael ist nicht nur eine des wundersamen Eingreifens, sondern auch eine Erzählung von großem Gottvertrauen. Dass Tobit seinen einzigen Sohn dem Asarja anvertraut und Tobias sich mithilfe des Begleiters die gefährliche Reise zutraut, ermöglicht überhaupt erst, dass die Unternehmung erfolgreich wird. So wie eine Reiseversicherung mir meine Sorgen vor einer Auslandsreise nehmen kann, ist dieses Gottvertrauen, nämlich das Wissen darum, Gottes Beistand in Form eines Schutzengels an meiner Seite zu haben, eine riesige Entlastung – in allen Lebenslagen.

„Fürchte Dich nicht! Wohlbehalten werden wir fortgehen und wohlbehalten zurückkehren, denn der Weg ist sicher“ Tob 5,17

Denn nicht nur auf Reisen darf ich mich im Schutz des Engels wähnen, sondern auch an den Scheide- punkten des Lebens und in scheinbar aussichtslosen Lagen spricht Gott durch Raphael Mut zu: „Fürchte dich nicht! Wohlbehalten werden wir fortgehen und wohlbehalten zurückkehren, denn der Weg ist sicher.“ (Tob 5,17). Dieser Zuspruch ist unglaublich befreiend, denn er sagt mir: In all meinem Tun, in allen Entscheidungen ist Gott bei mir, ich muss keine Angst haben, sondern darf freimütig darauf vertrauen, seinen Ruf zu spüren und ihm zu folgen, weil mein Schutzengel mir den Weg weist. Er zeigt sich mal in Rettung aus Not, mal in einem heilsamen Zuspruch und mal verkleidet sich der Engel als guter Freund an meiner Seite.

Streng genommen gehört Raphael als Erzengel nicht zu den Heiligen. Aber seine Botschaft bleibt auch heute aktuell. Als Schutzengel und Patron für Reisende, Blinde und allerlei gefährliche Berufszweige erfreut er sich noch immer größter Verehrung. Des- halb ist Raphael mein Saint Today. Mit meinem Zweitnamen weiß ich Raphael in schwierigen Situationen immer an meiner Seite. Dann kann ich mutig losgehen, als Kind Gottes und mit einem Engel an meiner Hand, denn der Junge auf dem Bild – das bin auch ich.

 

Andreas Hund

Text: Andreas Raphael Hund (28)