Wie prüfe ich, ob ich berufen bin? Ein persönlicher Bericht. 

Von Diakon Ulrich Körner

„Diakon, ein Beruf für dich?“ Ein gelber Flyer mit dieser Frage lag nun schon Wochen neben unserem Telefon daheim. Wer den dorthin gelegt hätte, wollte ich bei einem Abendessen in der Familie wissen. „Den habe ich dahin gelegt“, meinte meine Frau. „Ich denke, das könnte was für dich sein.“ So begann eine Berufungsgeschichte, über die ich noch heute staune. Gott hat viele Einfälle, um die anzusprechen und aufmerksam zu machen, die er in seinen Dienst rufen will.

Aber zunächst war ich verärgert. „Du weißt doch sehr gut, dass ich nach dem schmerzhaften und jahrelangen Ringen um die Priesterberufung kein Amt in der Kirche mehr anstreben will. Das brauche ich nun wirklich nicht zu meinem Glück.“ Wochen vergingen. Der Flyer aus Heiligkreuztal setzte Staub an. Aber innerlich war ich neugierig geworden. Wie hat das meine Frau gemeint? Und warum war sie initiativ geworden? Schließlich stellte ich ihr meine Fragen und hörte ihren Gedanken zu. Trotz großer Widerstände meldete ich mich zum Info-Wochenende über den Ständigen Diakonat in Heiligkreuztal an.

Eine Sehnsucht nach „mehr und anders“ 

Heute, 19 Jahre danach, bin ich Diakon in einer Seelsorgegemeinschaft und Spiritual für die zukünftigen Ständigen Diakone in unserer Diözese. Und weiß aus vielen geistlichen Begleitgesprächen, dass Berufungsgeschichten so verschieden sind wie es Menschen gibt. Eines scheint mir bei allen biografischen Eigenheiten gemeinsam: Es gibt in ihnen immer die Erfahrung, dass Jesus Christus dem Menschen die Hand auf die Schulter gelegt hat. Irgendwann wurde es spürbar. Das Wozu dieser Handauflegung liegt dahinter. Manchmal ereignet sich die Berufung im Gewand der guten Erinnerung: In meinem Fall war ich immer schon gerne in der Kirche aktiv, übernahm Dienste in der Gemeinde und drum herum und empfand Glück bei dem Gedanken, solches wieder tun zu können. Andere spüren eine wachsende Freude in der Begegnung mit der Hl. Schrift oder geistlichen Liedern. Manchmal ereignet sich Berufung auch in der Weise einer Sehnsucht nach „mehr und anders“, wenn die Tätigkeiten in der Firma permanent frustrieren und unzufrieden zurücklassen. Nicht selten ist es eine neue Freude am christlichen Glauben, der, mit der Zeit wie Glut mit Staub und Asche zugedeckt, durch ein schicksalhaftes Widerfahrnis freigelegt wurde und nun zu leuchten und zu wärmen beginnt. In dem und noch ganz anderem mutmaßen Menschen, dass Gott ihnen die Hand auf die Schulter gelegt haben könnte. Persönlich eben.

Wie prüft man seine Berufung? 

Allein der Gedanke, Gott könnte etwas mit mir im Sinn haben, beschäftigt einen Menschen. Zudem sind die Männer für den Diakonat zumeist Familienväter zwischen 35 und 55 und angesichts der verändernden Tragweite solcher Fragen, die immer auch die Ehefrau und die Kinder mitbetreffen, ist es sehr entscheidend herauszufinden, ob sich hier wirklich der Hl. Geist regen könnte oder ob ich „meinem eigenen Vogel“ zu- höre! Wie ein Katalysator wirkt da manchmal das Wort eines Mitchristen oder einer Glaubensgefährtin: „Du, dich könnte ich mir gut als Diakon vorstellen. Hast du das schon einmal bedacht?“ Unterscheidung ist nötig und wird nun entscheidend. Wahrnehmung der Motive. Und der inneren Regungen und Gedanken. Und genau darum geht es bei der nun anstehen- den Berufungsprüfung, die sich zeitlich von den ersten Wahrnehmungen und Assoziationen über den Würzburger Fernkurs bis hin zum Interessentenjahr erstreckt. Bei den meisten Männern und ihren Familien sind dann mehr als 4 Jahre ins Land gegangen, bevor sie sich zur eigentlichen Ausbildung entscheiden können und wollen. Soll diese „Unterscheidung der Geister“, wie es der Hl. Ignatius in seinem Exerzitienbuch nennt, in die Gewissheit führen, von Gott in den sakramentalen, amtlichen Dienst für Kirche und Welt gerufen worden zu sein, bedarf es noch dreierlei: der Gespräche mit einem geistlichen Begleiter oder einer Begleiterin, der Abgeschiedenheit stiller Exerzitientage und der Haltung der Indifferenz. Bei Ignatius, dem, der einstens davon träumte, am Hof soldatische Karriere zu machen, liest sich das so:

„Darum ist es notwendig, uns allen geschaffenen Din- gen gegenüber gleichmütig (span. indiferentes) zu ma- chen, überall dort, wo dies der Freiheit unseres Wahlvermögens eingeräumt und nicht verboten ist, dergestalt, dass wir von unserer Seite Gesundheit nicht mehr als Krankheit begehren, Reichtum nicht mehr als Armut, Ehre nicht mehr als Ehrlosigkeit, langes Leben nicht mehr als kurzes, und dementsprechend in allen übrigen Dingen, einzig das ersehnend und erwählend, was uns jeweils mehr zu dem Ziele hin fördert, zu dem wir geschaffen sind (EB 23).“

Das Geschenk der Gewissheit finden die Männer meist im Verspüren innerer Empfindungen von Trost und Zuversicht, Frieden und Ruhe, wenn sie sich gedanklich mit dem Dienst eines Diakons und den damit verbundenen vielfachen Herausforderungen befassen. Bohrende, nagende und immer wiederkehrende Skepsis oder somatische Unpässlichkeiten sind demgegenüber Hinweise auf eine Täuschung, die meiner Seele einfach nicht „schmecken“ will, einem Wollen, das sie nicht „verdauen“ kann. Bei Ignatius klingt das dann in seiner kernigen Ritter-Sprache des 16. Jahrhunderts so:

„Verfinsterung der Seele, Verwirrung in ihr, Hinneigung zu den niedrigen und erdhaften Dingen, Unruhe verschiedener Getriebenheiten und Anfechtungen, die zum Mangel an Glauben, an Hoffnung, an Liebe bewegen, wobei sich die Seele ganz träg, lau, traurig findet und wie getrennt von ihrem Schöpfer und Herrn (EB 317).“

Zurück zu mir und dem Flyer neben dem Telefon: „Diakon, ein Beruf für dich?“ Immer wieder hatte ich gedanklich nein gesagt. Nein, ich will kein Weiheamt in der Kirche. Und du bist doch schon in diakonischer Haltung unterwegs, hatten mir wichtige Begleiter rückgemeldet. Ich wollte mich als Theologe und damals auch als Schulseelsorger keinem „Macht-Trip“ hingeben. Eine Tür ging auf, als ich Rottenburgs Verständnis des Diakonenamtes kennenlernte. Das war sehr anders, als ich es von meiner Heimatdiözese im Kopf hatte. Dennoch wollte ich lieber kein Kleriker werden. Ich erinnere mich noch wie heute, als mir die neue und unverhoffte Gewissheit dennoch zugemutet wurde. Es war oberhalb des Weihers in Heiligkreuztal, ich saß wie so oft auf einem Holzbrett neben dem Kreuz, den Rücken an der steinernen Klausur- mauer. Betrachtete die Perikope von der paarweisen Aussendung der Jünger zur Mission in Christi Namen. Der Wind bewegte sanft die Kronen der Laubbäume gegenüber, und mir war, als berühre mich deren Laub sanft am Rücken. „Geh auch du … ich stehe hinter dir.“ Gott hat schon ganz eigene Weisen, sich uns gegenüber auszusprechen. Er findet einen Weg in unser Inneres. Schließlich ist er der Weg, die Wahrheit und das Leben.

 

Zur Person

Ulrich Körner (62) begleitet seit 2012 die Bewerber zum Diakonat in Heiligkreuztal. Zuvor war er als Schulseelsorger und Religionslehrer in Ellwangen und Ulm unterwegs. In der Diakonie der Kirchengemeinden ist er seit 2009 in Laupheim, Baustetten und Sulmentingen beschäftigt.