Ludger Hoffkamp (56) aus Ludwigsburg ist Clown mit Leib und Seele – und er ist Pastoralreferent. Im Interview spricht er nicht nur als Clown Kampino mit roter Nase und großer Brille über den Ernst des Lebens, sondern erklärt auch, warum wir mehr Lust am Scheitern bekommen sollten, und verrät, wie man Humor auch in Krisenzeiten einbringen kann.

Herr Hoffkamp, was kam zuerst, die Ausbildung zum Pastoralreferenten oder die des Clowns?
Gute Frage. Ich glaube, dass das ein Thema ist, das ich schon immer in mir habe. Dieser Clown war von Anfang an ein Teil von mir und mich hat das Kreative interessiert. Der Clown ist für mich nichts anderes als ein kreatives Wesen, das gerne spielt. Wer war zuerst? Die Henne oder das Ei? Ich glaube, das lässt sich gar nicht ausschließen. Am Anfang war dieses Kindliche in mir. Das ist das, was den Clown ausmacht. Der Clown ist eigentlich meines Erachtens nichts anderes als das innere Kind.

Der Clown ist im Prinzip naiv und auch der Theologe braucht eine gesunde Naivität, um neugierig zu bleiben und Fragen zu stellen.

Und wie passt das mit einem Beruf in der Kirche zusammen?
Uns Pastoralreferenten hat man gesagt, wir sollen an die Hecken und Zäune gehen. Und genau das tue ich in einer mir eigenen Art und Weise. Der Clown ist im Prinzip naiv und auch der Theologe braucht eine gesunde Naivität, um neugierig zu bleiben und Fragen zu stellen. Ich glaube, dass unser Job eigentlich ein Spiel ist, aber ein sehr ernsthaftes Spiel. Humor ist ein ernsthaftes Thema – und den Ernst des Lebens hält man nur aus, wenn man Humor hat. Ich glaube, dass mein Clownsein mir viele Freiheiten gibt, meinen Theologen nicht zu ernst zu nehmen. Aber der Theologe hilft auch meinem Clown, in die Tiefe zu gehen.

Gibt es einen Unterschied zwischen Clown Kampino und Ludger Hoffkamp?
Ein Clown spielt keine Rolle, sondern spielt eigentlich sich selbst. Sein eigenes inneres Kind. Ich kann nur der Clown sein, der ich eben nun mal bin. Beim Clownspielen reden wir viel von Authentizität. Ich muss authentisch sein und ich muss ehrlich sein. Ehrlichkeit ist nicht immer bequem. Ich glaube, ich schaffe es immer wieder, mir meine Kindlichkeit und meine Naivität zu erhalten. Vermutlich müssen der Clown und die Person irgendwann deckungsgleich werden. Bei mir schaut der Clown schon sehr durch.

Und ist Ihr Clown auch ein Christ?
Es ist meine feste Überzeugung, dass der Clown eine immanent-theologische Bedeutung hat. Der Clown hat die Kraft, Dinge zu relativieren. Und wir leben ja in Relation. Relativieren heißt in Beziehung sein und der Clown ist ein totales Beziehungswesen. Für den Clown ist ein entscheidendes Thema, immer in das Publikum zu schauen. Es passiert nur etwas, wenn wir uns in die Augen sehen. Und das ist natürlich auch ein sehr interessanter theologischer Gedanke, denn so geschieht Begegnung. Beim Clown geht es auch sehr stark darum, sich auf das Geschehen einzulassen, im Hier und Jetzt. Das ist eigentlich auch das, was unser Gottesbegriff sagt. JHWH sagt: Ich bin, der ich bin. Und das ist eigentlich etwas, das auch für einen Clown gilt.

Sie sind Teil der von Eckart von Hirschhausen gegründeten Stiftung „Humor hilft heilen“. Wie kann man das Thema Humor in Zusammenhang mit Krankheit, Sterben und Trauer bringen?
Wenn Menschen nicht mehr weiterwissen, wenn sie in traumatisierten, schwierigen Situationen sind, dann brauchen sie es nicht, dass man ihnen die Krise bewusst macht. Sie brauchen eine Erinnerung an ihre Ressourcen und wieder Boden unter ihren Füßen. Psychotherapeuten nennen das „grounding“. Und der Clown ist natürlich per se ein „grounding-Typ“. Wenn er schon zur Tür reinstolpert, dann steht er eben auf dem Boden der Tatsachen – und da fliegt er auch noch drüber. Es nützt Menschen mehr, sich an das Leben zu erinnern, als ständig über ihre Trauer zu sprechen. Wer sagt denn, dass es ein Widerspruch ist, dass Freude und Leid nebeneinander wohnen? Das wird im Gottesdienst gefeiert. Leben, Tod – und Auferstehung. Und dann geht es darum, wie die Menschen wieder Hoffnung bekommen.

Die Tatsache, dass der Clown scheitert, enthält so eine tiefe menschliche Wahrheit. Wenn Menschen sich zugestehen, gescheitert zu sein, dann stehen sie zu ihrer Endlichkeit.

Warum braucht ein Clown eine „Lust am Scheitern“?
Kinder lieben es, wenn ich als Clown im Krankenhaus unterwegs bin und gegen die Wand laufe. Sie lachen sofort und fühlen sich einem dann ein bisschen überlegen. Die Tatsache, dass der Clown scheitert, enthält so eine tiefe menschliche Wahrheit. Wir scheitern eben. Und unsere Religion baut sich eigentlich auf einem auf, der in seinem Leben im gewissen Sinn auch gescheitert ist. Wenn Menschen sich zugestehen, gescheitert zu sein, dann stehen sie zu ihrer Endlichkeit. Das kriegen wir nicht immer hin, denn wir stolpern eben auch durch unser Leben. Es geht vielmehr darum, immer wieder aufzustehen, wenn etwas schiefgeht. Beim Clown funktioniert das, wenn er den Kopf ausschaltet und das Herz einschaltet. Wenn man sich aber nicht nur in der Komfortzone bewegt, hat man die Möglichkeit, neue Erfahrungen zu machen. Ich glaube, dass das mein ganzes Leben durchzieht. Paulus sagt das wunderbar: Eure Schwäche wird eure Stärke sein.

Ich versuche in jeder Predigt und in vielem, was ich tue, die Menschen irgendwann zum Lachen zu bringen.

Und wie bringen Sie das in Ihrer pastoralen Arbeit mit ein?
Ich versuche in jeder Predigt und in vielem, was ich tue, die Menschen irgendwann zum Lachen zu bringen. Kinder lieben es! Wenn ich im Krankenhaus als Clown unterwegs bin, dann glaube ich, dass ich vielmehr Seelsorger bin, als wenn ich als Seelsorger hingehen würde, weil ich absichtslos komme. Ich will mit den Kindern einen schönen Moment haben, ohne sagen zu müssen, ich bin da, um sie durch Humor zu therapieren. Wir sind im Krankenhaus Künstler und keine Therapeuten – was nicht heißt, dass wir nicht therapeutisch wirken.

Gibt es einen Moment, den Sie nie vergessen werden?
Wir kamen einmal zu zweit als Clowns in ein Krankenhauszimmer. Dort lagen zwei Frauen. Eine mit Herzproblemen und die andere, weil sie bald sterben würde. Wir kamen rein und die eine Frau sagte: „Ja, was wollen Sie jetzt hier? Das ist doch ein Krankenhaus!“ Wir sagten, dass wir sie besuchen und ein Lied singen wollen. Sie haben sich sehr gefreut und die eine Frau erzählte, dass sie schon vier Wochen gemeinsam im Zimmer liegen, dass sie richtig gute Freundinnen geworden sind. Die andere sagte: „Ja, das stimmt. Aber morgen gehe ich nach Hause zum Sterben.“ Dann wurde es plötzlich ganz ernst. Ihre Bettnachbarin fing an zu weinen. Das wollten wir eigentlich nicht auslösen. Die Frau sagte weiter: „Ja, das stimmt, wir sind wirklich zwei gute Freundinnen geworden. Aber morgen werde ich mich von dir verabschieden, da werden wir uns das letzte Mal sehen. Ich hatte ein gutes Leben, aber jetzt ist es gut.“ Dann habe ich überlegt, was ich machen soll. Ich habe sie schließlich gefragt, ob ich ihr noch etwas schenken darf. Ich hielt ihr eine rote Nase hin, sie nahm diese Nase, setzte sie auf und sagte wortwörtlich: „Das ist eine sehr gute Idee, die ziehe ich dann im Sarg an und dann lachen sich alle Leute tot.“ Und dann mussten alle lachen. Da habe ich gemerkt, dass Humor diese Aufstehkraft im Menschen ist, diese Resilienz, die uns bis zuletzt nicht verloren geht.

Sind Sie zufrieden, wenn Sie auf Ihre zahlreichen Erfahrungen und die Arbeit zurückblicken?
Ich lebe seit über zwanzig Jahren als Clown und als Theologe und ich bin sehr zufrieden mit so vielen Dingen. Klar, stinkt mir auch manches. Die Kirche könnte einfach viel mehr Humor vertragen, aber mich trägt sie auch so. Ich habe noch nie Steine in den Weg gelegt bekommen. Ich habe meine Clown-Ausbildung genehmigt bekommen und wurde unterstützt, dafür bin ich heute noch sehr dankbar. Vielleicht ist es das, was für uns pastorale Mitarbeiter interessant ist, wir dürfen an den Zäunen und Hecken unterwegs sein und es wird auch gewürdigt.

Haben Sie einen Witz zum Abschluss?
Ein Clown erzählt eigentlich keine Witze, denn er ist der Witz. Aber um den Leserinnen und Lesern einen Witz mitzugeben, habe ich einen Dad-Joke, wie meine erwachsenen Kinder meine Witze bezeichnen: Kommt der Sohn zum Vater: „Hi Dad, I’m hungry.“ Sagt der Vater zum Sohn: „Hi Hungry, I’m Dad.“

 

TEXT: MAXIMILIAN MAGIERA (23)