Sonntagmorgens stehen sie auf der Matte, um ihren Dienst am Altar zu verrichten. Etwa 30.000 Ministrant/ innen zählt die Diözese Rottenburg-Stuttgart. Wer stärkt ihnen strukturell den Rücken? Und was kann man sich unter Ministrant/innenseelsorge vorstellen? Dazu befragten wir Pfarrer Daniel Heller von der Fachstelle für Ministranten und Ministrantinnen.

Was ist Ministrant/innenseelsorge und warum gibt es sie?
Es gibt eine große Anzahl von Minis innerhalb der Diözese. Laut Hochrechnung der letzten Umfrage vor fünf Jahren sind es ca. 30.000. Unserem Bischof ist es ein großes Anliegen, diese Kinder und Jugendlichen innerhalb der Kinder- und Jugendarbeit gut begleitet zu wissen, denn sie verrichten einen liturgischen Dienst, der eine hohe Wertigkeit besitzt. Die Fachstelle der Ministranten und Ministrantinnen widmet sich dieser Begleitung.
Wie wird die Ministrant/innenseelsorge in unserer Diözese organisiert? Gibt es einen Austausch mit anderen Diözesen?
Mit anderen Diözesen stehen wir innerhalb der sogenannten Südwest-Koop im Austausch. Das ist eine Kooperation der südwestlich liegenden Diözesen in Deutschland. Im Vergleich wird deutlich, dass wir in der Seelsorge der Minis mit eineinhalb Stellen sehr gut aufgestellt sind. Oftmals sind Kolleg/innen nur mit einem gewissen prozentualen Anteil ihres Stellenumfangs in der Mini-Pastoral tätig.

Die Arbeit an unserer Fachstelle steht auf drei Säulen: Gemeinschaft, Liturgie und Persönlichkeit.

Was meint Ministrant/innenseelsorge konkret in der Gemeinde vor Ort?
In den Gemeinden konkret ist es so, dass der jeweilige Pfarrer der Leiter der Liturgie ist und damit die Letztverantwortung für die Minis und die liturgischen Dienste übernimmt. Oft kümmern sich auch andere pastorale Mitarbeiter oder Ehrenamtliche um die Ministrantengruppen. Wir als Fachstelle können hierbei Hilfestellung geben. Die Arbeit an unserer Fachstelle steht dabei auf drei Säulen: Gemeinschaft, Liturgie und Persönlichkeit. Gemeinschaft bedeutet nicht nur gemeinsam den Mini-Dienst zu tun, sondern auch Freizeitaktivitäten, Gruppenstunden erleben, Ausflüge und anderes. Gemeinschaft, die sowohl auf Gemeindeebene erlebbar ist, die aber hoffentlich auch im Dekanat oder natürlich speziell dann auch bei einer Romwallfahrt, bei der mehrere Tausend Minis aus unserer Diözese dabei sind, dann deutschlandweit, beziehungsweise weltweit, spürbar wird.
Der Dienst der Minis besitzt für uns eine große liturgische Wichtigkeit, weil es nicht nur darum geht, dass Kinder, Jugendliche oder junge Erwachsene im Gottesdienst präsent sind, sondern, dass sie sich auch aktiv durch ihren Dienst einbringen können.
Das dritte ist die Persönlichkeit. Dabei ist es uns auch ein Anliegen, dass sich jede und jeder mit seinen Fähigkeiten und seiner Persönlichkeit in den Dienst einbringen kann. Es geht nicht um Gleichmacherei. Klar gibt es Elemente, die für alle Minis verbindlich sind, aber man muss auch schauen, für welche Tätigkeit welcher Mini besser geeignet ist und für welche vielleicht weniger. So übernehmen eher die älteren Minis den Weihrauchdienst und die jüngeren Minis den Leuchterdienst. Es gilt, in den Mini-Dienst hineinzuwachsen und im Laufe der Zeit die unterschiedlichen Formen des Dienstes zu erlernen.

Was ist für Sie die größte Herausforderung in der Ministrant/innenseelsorge?
Die größte Herausforderung ist der Aspekt der Vernetzung, weil wir natürlich unterschiedliche Gegenden in der Diözese haben, wo die Minis sowohl strukturell als auch zahlenmäßig ganz unterschiedlich aufgestellt sind. In Oberschwaben gibt es viel mehr Minis wie zum Beispiel in Hohenlohe. Das stellt eine gewisse Ungleichzeitigkeit dar, weil natürlich – Beispiel Hohenlohe – viel mehr der Wunsch nach Vernetzung da ist, dass man nicht nur dem einzelnen Mini vor Ort begegnet, sondern, dass man eben mehr die größere Gemeinschaft erlebt. In Oberschwaben zum Beispiel herrscht oftmals weniger das Bedürfnis, sich noch mit weiteren Dekanaten zusammenzuschließen. Man muss dann genau schauen, ob die anderen vielleicht auch bereit sind, über den eigenen „Tellerrand“ hinauszuschauen. Andere etwa in den Blick zu nehmen und wahrzunehmen, dass diejenigen, die in kleineren Mini-Gruppen sind, trotzdem Freude an ihrem Dienst und in ihrer Gemeinschaft haben können und es Möglichkeiten der Begegnung gibt.

Wie erfahren die Ministrant/innen davon, dass es speziell für sie eine Seelsorge gibt? Und wie wird dieses Angebot von ihnen in Anspruch genommen?
Informationen darüber bekommen die Minis vor Ort hauptsächlich durch unseren Newsletter, den man auf unserer Homepage abonnieren kann. Dafür gibt es ein Team von Ehrenamtlichen, das mit der Fachstelle zusammen den Inhalt der Arbeitshilfe konzipiert. Wir versuchen in den sozialen Medien (Facebook und Instagram) präsent zu sein, uns dadurch immer wieder ins Bewusstsein zu rufen bzw. unsere Existenz bekannt zu machen. Des Weiteren lernen uns die Minis durch Veranstaltungen (Jugendtag in Untermarchtal, Kinderfranziskusfest usw.) kennen oder die Jugendreferate stellen, wie bereits erwähnt, bei Fragen einen Kontakt zu uns her.
Seelsorge im Einzelnen wird eher weniger angefragt, beispielsweise, dass sich ein einzelner Mini bei uns an der Fachstelle oder bei mir persönlich meldet. Das wird hauptsächlich schon vor Ort durch das pastorale Personal abgedeckt oder aber innerhalb der Mini-Gruppe vor Ort.

Ist dann der Begriff Ministrant/innen-„Seelsorge“ unter Umständen irreführend?
Ich weiß nicht, ob es „irreführend“ ist. Manchmal wäre es vermutlich verständlicher von „Begleitung“ zu sprechen. Dann wäre die Aufgabe eben nicht mit Ministrant/innen-Seelsorge betitelt, sondern mit Ministrant/innen-Begleitung.
Manchmal ist die Tätigkeit hier an der Fachstelle sehr „bürolastig“ und beinhaltet sehr viel Verwaltung. Da würde man sich oftmals mehr Seelsorge am Menschen wünschen, wobei andererseits die Frage ist: Ist es nicht auch ein Teil von Seelsorge bzw. Begleitung, dafür zu sorgen, dass durch meine Verwaltungstätigkeit die Diözesanoberminis ihre Veranstaltungen in guter Form machen können und sich so durch die Fachstelle begleitet wissen? Dadurch, dass man regelmäßig gemeinsame Treffen mit ihnen hat, ist man an ihnen „näher dran“ und arbeitet nicht nur für, sondern eben auch mit Menschen und kann so Seelsorge betreiben.

Welche Bedeutung hat demnach für Sie der Ministrant/innendienst für Berufungen?
Es ist sicherlich kein Automatismus, dass, wer Mini war, dann auch einen kirchlichen Beruf ergreift. Aber ich glaube, dass der Mini einen Blick hinter die Kulissen bekommt. Innerhalb der Sakristei erlebt man, wie die Gottesdienstleitung funktioniert, egal ob bei Priestern, pastoralen Mitarbeiter/innen oder auch Ehrenamtlichen. Man erlebt das Zusammenspiel verschiedener Dienste und kann sich auch selbst fragen, ob nicht dieser oder jener Dienst oder sogar Beruf etwas für mich sein könnte.
Ich denke, auch unabhängig von einem kirchlichen Dienst, den man dann ergreift oder eben auch nicht, bringt das Mini-Sein oder das Mini-Gewesen-sein viel für das eigene Leben: Man lernt vor Menschen zu stehen und übt auch die Übernahme von Verantwortung ein. Denn einen Dienst zu übernehmen, heißt auch, morgens früh aufzustehen und zum Gottesdienst zu kommen, obwohl man vielleicht das eine oder andere Mal dazu keine Lust hat. Der Mini ist sich seiner Verantwortung gegenüber den anderen Minis bewusst, die auf ihn warten.

Was halten Sie am Ministrant/innendienst für besonders förderungswürdig?
Ich finde es wichtig, dass die Minis lernen, Verantwortung innerhalb der Liturgie, der Mini-Gruppe als auch darüber hinaus in der jeweiligen Kirchengemeinde zu übernehmen. Es gilt, sie in ihrem Tun zu fördern und wertzuschätzen.
Der Dienst als Mini kann darüber hinaus ein guter Einstieg sein, in ehrenamtliche Dienste innerhalb der Liturgie hineinzuwachsen. Sei es als Lektor/in, als Kommunionhelfer/in, Wort-Gottes-Feier-Beauftragte/r oder aber auch in mögliche Gremien: den Kirchengemeinderat oder auch Aus- schüsse des Kirchengemeinderats.
Das Integrieren der verschiedenen Charismen, die ihren Ursprung oftmals im Mini-Sein haben, gilt es, verstärkt zu fördern. Es wäre schön, wenn das die Kirchgemeinden mehr in den Blick nehmen und nicht jammern würden: Wir haben keine jungen Menschen mehr, es kommt kein Jugendlicher, kein Kind, kein junger Erwachsener mehr in die Kirche …
Manchmal müssten „nur“ die Augen aufgemacht werden und man würde genau diese scheinbar fehlenden jungen Menschen vorne im Altar- raum stehen sehen. Genau diese jungen Menschen sind es, denen ihr Dienst etwas bedeutet und sie deshalb da sind.

Es ist mir wichtig, dass der Dienst weiterhinin den Gemeinden wertgeschätzt und nicht als selbstverständlich hingenommen wird.

Was sind Ihre Wünsche für die gegenwärtige oder auch zukünftige Ministrant/innenseelsorge?
Ein Wunsch wäre sicherlich, mehr zu vernetzen und so die Fähigkeiten der Minis durch die Fachstelle zu fördern – sei es durch Angebote auf Gemeindeebene oder auch gerne auf Diözesanebene. Und es ist mir wichtig, dass der Dienst weiterhin in den Gemeinden wertgeschätzt und nicht als selbstverständlich hingenommen wird. Manchmal bemerkt man erst, wie wertvoll etwas ist, wenn es fehlt. Ich hoffe, dass eben das nicht passiert und wir in den Gemeinden immer neue Kinder und Jugendliche für diesen schönen Dienst gewinnen können.

ZUR PERSON

Pfarrer Daniel Heller (39) ist Priester in der Seelsorgeeinheit Guter Hirte-Kolumban in Wendlingen. Im Jahr 2012 wurde er zum Diakon geweiht, im Jahr darauf folgte seine Priesterweihe in Weingarten. 2017 wurde er zum Ministrant/innenseelsorger der Diözese Rottenburg-Stuttgart ernannt, mit Sitz in Wernau.

 

TEXT: FRANZISKA MOOSMANN (21), JOHANNA HIRSCHBERGER (22)