Wenn die Luft von Musik erfüllt ist, Kirchentüren offen stehen und neugierige Menschen sich spontan Konzerte anhören, Kinder und Jugendliche die Stadt mit ihrer guten Laune füllen und selbst in Kathedralen die Bänke weichen müssen, um allen Platz zu machen, dann liegt es daran, dass in dieser Stadt ein Chortreffen vom Chorverband Pueri Cantores stattfindet.

Wer singt, betet doppelt. Die Corona-Zeit ohne Gemeindegesang hat vielen bewusst gemacht, dass die Kirchenmusik so wesentlich zur Liturgie dazugehört wie das gemeinsame Beten. In einer schweren Zeit für Chöre schauen wir auf den Chorverband Pueri Cantores, die Kinder und Jugendlichen, die durch ihr Singen und ihre Lebendigkeit die Gemeinden bereichern, und die Kirchenmusiker:innen, die das alles ermöglichen.

Pueri Cantores
Ein Grundanliegen des Chorverbandes ist es, Kinder und Jugendliche samt ihren Chorlei-ter:innen miteinander zu vernetzen, die sonst in ihren Gemeinden sehr vereinzelt wären. Michael Müller ist deshalb 1994 mit seinem Kinder- und Jugendchor St. Johannes aus Bad Mergentheim Mitglied bei Pueri Cantores geworden. „Das hat mir als Chorleiter unheimlich geholfen und unserem Chor echten Auftrieb gegeben. Gerade durch die Chortreffen ist es auch für die Sänger:innen ein großer Gewinn.“ Das kann ich als ehemalige Sängerin nur bestätigen. Die Chorfestivals sind mir besonders positiv in Erinnerung geblieben, denn in Begegnungen habe ich gemerkt, dass es erstaunlich viele Gleichaltrige gibt, die es bereichert, in der Kirche zu singen, und die mit Freude dabei sind, egal ob bei Psalmen, Motetten, Popsongs oder Gos-pels … Das gemeinsame Singen mit vielen Chören gleichzeitig, die spontanen und freudigen Sangesausbrüche auf den Straßen, die Gelegenheit mit dem Chor zu reisen … das waren prägende Erfahrungen für mich. Der Verband stellt für solche Veranstaltungen auch finanzielle Mittel, Noten und vieles mehr zu Verfügung, sodass die Chöre einfach teilnehmen können. In Mitgliederversammlungen können die Chorleiter:innen Erfahrungen austauschen, Anliegen loswerden und sich Anregungen holen. Thomas Stang, der Vorsitzende von Pueri Cantores in der Diözese Rottenburg-Stuttgart und Chorleiter der Ulmer St. Georgs Chorknaben, erzählt, dass bei diesen Treffen in einer lockeren Atmosphäre voneinander gelernt werden kann. „Ich hätte mich nicht als Vorsitzender zur Verfügung gestellt, wenn ich den Eindruck gehabt hätte, dass da nur geredet und theoretisiert würde, aber diese Lebendigkeit im Verband, die ist besonders.“ Man lernt voneinander, ganz gleich, ob von einem kleinen Kinderchor oder einem professionellen Knabenchor, alle haben etwas zu Nachwuchswerbung oder Probenarbeit beizutragen. Auch Michael Müller ist es wichtig, dass bei Pueri Cantores alle gleich sind. „Niemand wird belächelt, wenn ein Chor nur 20 Kinder hat und keine tollen Konzerte machen kann. Für das Erleben der Einzelnen spielt das auch keine Rolle und letztlich sind es doch überall die gleichen Kinder und alle sind mit derselben Begeisterung dabei.“

Die Sänger:innen
Doch wer sind die Kinder und Jugendlichen, die in einem katholischen Chor mitsingen? Herr Müller hat bei sich im Chor über die Jahre deutliche Veränderungen festgestellt. Während früher die Mehrheit der Sänger:innen aus Familien kam, die in die Kirchengemeinde integriert waren, so kommen heute viele über den Freundeskreis dazu und durch die Lust am Singen und auch Eltern, die der Kirche kritisch gegenüberstehen, schätzen dieses Angebot für ihre Kinder. Schließlich müssen die Kinder und Jugendlichen auch nicht katholisch sein, um mit dabei zu sein. Auch Herr Stang sagt, dass es einfach zu wenig wäre, wenn die kirchliche Jugendarbeit nur Familien anspräche, die in die Kirche kommen. Deshalb sind auch Kooperationen mit Kindergärten, Grund- und Musikschulen wichtig und so können die Chöre von der Kirchengemeinde aus Brücken bauen, Brücken aus Musik. Nicht viele kirchliche Jugendgrup-pen treffen sich so regelmäßig wie die Sänger:innen in ihren Proben, doch Herr Stang bemerkt: „Komischerweise sind wir lange gar nicht wahrgenommen worden als Träger der Jugend- arbeit, obwohl wir mitten in der Liturgie präsent sind.“ Das wandelt sich aber bereits und auch die Gemeinden wissen ihre Chöre zu schätzen. Gerade in der Pandemie hätten viele Gottes-dienste stark gelitten, wenn nicht ein paar engagierte Sänger:innen für die Gemeinde gesungen hätten.

Singen während der Pandemie
Die Chöre mussten sich ganz neu aufstellen, um mit der Pandemie und den vielen wechseln-den Vorschriften umzugehen. Oft singen kleinere Ensembles von engagierten Kindern und Jugendlichen, doch das stellt eine deutliche Mehrbelastung für die Chorleiter:innen dar. Herr Müller schildert die fehlende Vorbereitungszeit, dass die Ensembles sich je wieder aufs Neue finden müssen, erschwerte Probenarbeit und dass nicht alle gleich dabei sein können. Doch hat alles irgendwo seine positive Seite und so hat er neue Lieder mit einfacheren Melodien und weniger Stimmen entdeckt und damit das Repertoire des Chors erweitert. Auch Herr Stang hat sich viel mit Chorsingen in der Pandemie beschäftigt und als Vorstand des Chor-verbandes der Diözese dafür gesorgt, dass Chöre technische Möglichkeiten haben, um immer-hin über die Online-Plattform „Jamulus“ zu proben. Dazu gab es dann auch einen Workshop für interessierte Kirchenmusiker:innen. So kann Pueri Cantores die schwere Zeit für die Chöre etwas erleichtern und ihre Interessen weiterleiten. Auf die Frage, wie die Zukunft der Chöre in der Diözese aussieht, antwortete Herr Stang, dass das sehr stark von der Pandemie abhängt. Man müsse abwarten und sehen, was Bestand hat, gerade auch bei den Kirchenchören für Ältere, die nicht im Verband sind, wird es wohl manche Auflösung geben. Genau wie sein Kollege nimmt auch er einen Anstoß aus der Krise mit. Seine neue Idee ist, dass jetzt, da Chortreffen nicht einfach möglich sind, ein Austausch von Chören eine interessante Alternative wäre. Das heißt, dass benachbarte Chöre in der jeweils anderen Gemeinde singen, sodass die Gemeinde einmal Lieder aus einem ganz anderen Repertoire hören kann. Aber natürlich lebt Pueri Cantores von der Gemeinschaft, den Begegnungen und am allermeisten vom gemeinsamen Singen!

Die Kirchenmusiker:innen
Mit den Chören gibt es einen großen Bereich der kirchlichen Jugendarbeit, der nicht von Personen des pastoralen Dienstes mit theologischer Ausbildung getragen wird, sondern von Menschen wie Michael Müller, die Kirchenmusik studiert haben, mit vielen Fächern und viel musikalischer Praxis. „Heute ist das Studium zum Glück etwas anders als zu meiner Zeit in den 80ern. Damals habe ich zum Beispiel gelernt große Passionen mit Orchester zu dirigie-ren, aber nicht, wie man Kindern das Singen beibringt. Auch um Organisatorisches zu lernen, gibt es heute extra sogenannte „Berufseinführungsphasen.“ Der Arbeitsalltag in der Kirchen-musik spielt sich nicht wie man denken könnte, hauptsächlich in der Kirche an der Orgel ab. Es gibt viele Proben, Gottesdienste und manchmal Chorfreizeiten zu planen, Noten müssen arrangiert werden und natürlich ist es eine gute Abwechslung mit Kindern, Teenagern oder älteren Menschen zu proben. „Als Kirchenmusiker halte ich es außerdem für wichtig zu wis-sen, was in der Gemeinde läuft, deswegen bin ich auch bei Sitzungen des Pastoralteams oder als beratendes Mitglied beim Kirchengemeinderat dabei.“ Aber wie ist es, wenn man die Kir-chenmusik zum Beruf macht und alltäglich damit zu tun hat, verliert sie da nicht ihren Reiz, wird man von ihr dann noch ergriffen, bleibt die Musik dann noch etwas Spirituelles? Ganz klar sagt Thomas Stang: „Die Musik nutzt sich nicht ab, man kann sich ihrem Zauber nie entziehen. Manchmal höre ich beim Einsingen, wie die Sänger:innen einfach einstimmig schön sauber zusammen singen. Das ist himmlisch, da kann ich schon eine Gänsehaut bekommen!“

INFO
Pueri Cantores ist ein diözesan und international aktiver Chorverband von Kinder- und Jugendchören, die einer katholischen Kirchengemeinde angehören. Dabei liegt der Fokus der Chöre weniger auf Konzerten als auf der Gestaltung von Gottesdiensten. In Deutschland besteht Pueri Cantores seit 1951, vereint über 400 Chöre und ermöglicht Begegnungen, Events und Austausch für Sänger:innen und Chorleiter:innen.

 

TEXT: VALERIE STENZEL (22)