„Wem diene ich als Diakon? Dienen ist so ein veraltetes Wort. Oft bedeutet diakonisch zu handeln, einfach da zu sein; den Menschen nah zu sein, indem ich ansprechbar bin und zuhöre.“ Auch für berufen war Michael Raditsch als Diakon im Zivilberuf ansprechbar und hat gerne über seine geistliche Berufung und seinen weltlichen Beruf erzählt und erklärt, warum man besser vom Diakonat im Zivilberuf reden sollte.

Was ist ein Diakon im Zivilberuf?
Auf den ersten Blick wirken Diakone im Zivilberuf nicht anders als ehrenamtlich engagierte Gemeindemitglieder, denn sie gehen einem ganz normalen Beruf nach. Bei Michael Raditsch ist es sein Beruf als Hausoberer im Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim. Der Schwerpunkt liegt also auf seinem Beruf, in dem er Ansprechpartner und Leiter des Ethikkomitees ist und dabei das sozial-karitative Leitbild der Barmherzigen Brüder umsetzt, ohne aber Ordensbruder zu sein. Nach zehn Jahren als Ordensbruder entschied er sich nicht für die ewige Profess, sondern dafür, die Haltung der Barmherzigen Brüder in einem Zivilberuf als Mitarbeiter zu leben. Deswegen sieht er sich auch als Diakon im Zivilberuf, denn er arbeitet nicht konkret als Diakon oder Seelsorger im Krankenhaus. Das Motto seiner Arbeit: „Entschieden für Menschen.“ Es drückt seine diakonische Haltung sowohl im Beruf als auch in der Gemeinde aus, denn es waren immer die Momente in seinem Leben wertvoll, bei denen er mit Menschen zusammengearbeitet hat. „Man muss einfach für die Menschen da sein, ihnen zuhören, egal ob vor dem Gottesdienst, beim Spazierengehen oder Einkaufen, bei der Garten- arbeit am Gartenzaun oder im Krankenhaus.“
Seine freie Zeit nutzt Michael Raditsch ebenfalls, um sich ehrenamtlich in der Gemeinde zu engagieren und seiner Aufgabe als pastorale Ansprechperson nachzukommen. Auch hier geht es ihm um die „Theologie des Hörens“. Sein Lebensentwurf als Diakon ohne Familie sieht er als „Möglichkeit für ein volles Engagement in Beruf und Kirche“. Die Ver- bindungen in der Gemeinde und auch im Beruf kommen dem einer Familie ganz nah, „aber eine richtige Familie ersetzt das natürlich nicht“. Diakon im Zivilberuf: Es scheint zunächst ein Spagat zwischen Beruf und Gemeinde zu sein, doch Michael Raditsch stellt klar: „Mein Grundsatz fürs Diakonat ist es, einfach zu leben. Nah am Menschen zu sein, mitzuleben und durch mein Leben zu berichten.“

In Löffelstelzen angekommen
Michael Raditsch hat schon viele Ortswechsel hinter sich: Trier, Koblenz, die Schweiz, Rom, Homburg bei Saarbrücken. Heute ist er froh, dass er als Ständiger Diakon Heimat gefunden hat. „Ab einem gewissen Alter habe ich verspürt, irgendwo ankommen zu wollen und auch bleiben zu dürfen. Jetzt bin ich in Löffelstelzen angekommen und das ist ein schönes Gefühl.“ Die überschaubare Gemeinde, die wie viele kleinere Pfarreien keinen eigenen Pfarrer mehr hat, hat nun mit Michael Raditsch eine pastorale Ansprechperson: „Als ich 2014 nach Löffelstelzen kam, hatte ich das große Glück, dass zu dieser Zeit die Kirche renoviert wurde. Ich wurde angesprochen, ob ich helfen könnte den Schiefer vom Dach zu schlagen, und das habe ich gemacht. Danach wurde gegessen, getrunken und geredet und so haben wir uns immer wieder zur Arbeit an der Kirche getroffen. So bin ich in die Gemeinde reingewachsen.“ Schnell wurde er noch eingeladen, Mitglied im Löffelstelzer Wallfahrtsverein zu werden, ganz pragmatisch, denn als Diakon kann er unterwegs den Segen spenden. „Dem Himmel verbunden, den Menschen nah“, so lautete ein Motto bei den Barmherzigen Brüdern, an das er sich noch gut erinnern kann. Und er lebt dieses Motto, denn er leitet Wortgottesdienste, predigt, tauft Gemeindemitglieder, assistiert bei Eheschließungen und ist im Kirchengemeinderat, aber letztlich sieht er sich in keiner besonderen Rolle. Er würde einfach mitleben, ein Löffelstelzer unter Löffelstelzern sein. Dazu sagt er: „Ich will im praktischen Tun von meinem Glauben erzählen, denn Religionslehrer wollte ich jetzt keiner sein, das gebe ich zu.“

ZUR PERSON:
Michael Raditsch (51) war zehn Jahre bei den Barmherzigen Brüdern von Maria-Hilf und hat so eine theologische und pflegerische Ausbildung durchlaufen. Der gebürtige Welzheimer wurde 2017 zum Diakon geweiht und ist nun in seinem Wohnort Löffelstelzen im Norden der Diözese als Diakon im Zivilberuf tätig. Die kleine Kirchengemeinde „Zur Heiligsten Dreifaltigkeit“ mit rund 600 Mitgliedern ist ebenso sein Wirkungsort wie die Krankenhäuser in Bad Mergentheim und Tauberbischofsheim, einschließlich der drei Seniorenzentren in der Trägerschaft der BBT-Gruppe (Barmherzige Brüder Trier).

TEXT: VALERIE STENZEL (22)