Petra Renz

Petra Renz hätte nie gedacht, dass sie einmal als Pastoralreferentin arbeitet. Nach Stationen in Tübingen, Wien und Rom ist sie zu ihrer Überraschung doch in der Gemeinde gelandet. Im Text erzählt sie von ihrem Weg und was den Beruf für sie so besonders macht.

von Petra Renz

Zu Beginn des Theologiestudiums war ich mir 100-prozentig sicher. Ich werde nicht Pastoralreferentin. Ich bin zu wenig fromm, passe nicht zu bunten Tüchern, Panflötenmusik und stehe sicher nicht mit Kindern um den Altar. Nun, etwa fünf Jahre später, bin ich seit einigen Monaten wirklich Pastoralreferentin. Trotz oder viel- leicht auch gerade wegen der vielen Zweifel mag ich meinen Beruf mehr, als ich je gedacht hätte. Ich liebe die Freiheit in der Gestaltung der Arbeit, die Selbstständigkeit, die wechselnden Arbeitsorte und die unterschiedlichsten Begegnungen mit Menschen aller Altersklassen. Ich feiere es, dass es zu meinem Beruf gehört, in die Messe zu gehen, Liturgien mitzugestalten, von Gott zu reden und mit Menschen zu beten. Ich bin berührt, wenn ich erleben darf, dass ein Besuch, das Dasein und Zuhören, ein stärkender Gottesfunke für jemand sein kann. Der Jahreskreis gibt zwar ein wiederkehrendes Arbeitsrepertoire vor, aber kein Tag, keine Woche und kein Monat ist wie der andere. Jeder Tag ist aufregend, herausfordernd und mit unerwarteten Erlebnissen angereichert. So fand ich mich schon als Vorbeterin auf einem Pferd oder mit einer Gruppe Männer beim Bau eines Pastoralprojektes in einer Schreinerwerkstatt wieder. Täglich lerne ich, in unbekannten Wassern zu schwimmen und dabei noch eine gute Figur zu machen. Und scheint manche Tätigkeit auch noch so banal – man ist als Pastoralreferentin ganz dicht dem Geheimnis des Lebens auf der Spur und weiß, dass man nicht selbst alles leisten kann und muss, weil ER selbst der ist, auf den alles hinführt, der da ist, mitträgt und mitgeht.

„Mein Weg zum Beruf war herausfordernd, aber glücklich“

So spannend und vielfältig wie der tägliche Arbeitsalltag heute ist, so herausfordernd aber auch glücklich war mein Weg hierhin. Schon zu Beginn meines Berufslebens war ich unruhig und immer auf der Suche nach neuen und anderen Herausforderungen. Nach der Realschule folgte eine Ausbildung bei der Agentur für Arbeit, aber schon bald spürte ich, dass die Tätigkeit mich nicht vollends erfüllte. Ich konnte zwar Menschen helfen, ihr Existenzminimum zu sichern, aber nur Geld auszubezahlen reichte mir nicht. Ich wollte mehr bewirken und entschied mich dafür, das Abitur nachzuholen. Weil ich zuvor noch mit Freundinnen verreisen wollte, bin ich eher zufällig bei einer Jugendwallfahrt nach Assisi mit unserem damaligen Vikar mitgefahren. Erst dort entdeckte ich, dass in meinem so einfachen Glauben etwas, ein Mehr drinsteckte, dem ich näherkommen wollte. Ja, es entbrannte eine Sehnsucht, die mich nicht mehr losließ und mich nach Tübingen ins Am- brosianum führte, also zum propädeutischen Studienjahr, das auf das Theologiestudium vorbereitet. Auch wenn ich die Qualität meines Sprachgefühls eher in der Kategorie Brecheisen einschätzte, wagte ich mich an die alten Sprachen, die man für das Theologiestudium benötigt. Es waren schrecklich zähe Lernstunden, doch die Gemeinschaft und die schöne Stadt machten das Sprachenjahr zu einer großartigen Zeit, die mich sehr ermutigte, gleich und komplett Theologie zu studieren, ohne jemals in einer richtigen Vorlesung gesessen zu haben. Umso mehr sich mir im Studium die Welt der Theologie öffnete, umso größer wurde meine Sehnsucht nach dem gewissen Mehr.

„In mir wuchs eine Sehnsucht nach Mehr“

So folgten auf sechs Semester Tübingen vier Semester in Wien und ein Studienaufenthalt in Rom. Die Studienzeit an jedem der Orte hat meine Sehnsucht nach dem Mehr immer wieder neu entzündet, da nicht nur die Theologie gelehrt und gelernt wurde, sondern sie an jedem Ort neu im Leben durchbetet und gefeiert wurde. Und gerade die weltkirchlichen Erfahrungen in Rom zeigten mir, dass es immer noch nicht selbstverständlich ist, als Frau Theologie zu studieren, in einer Kirchengemeinde mitzuarbeiten und dafür sogar bezahlt zu werden. Für mich ist dieses Privileg zugleich Auftrag, mich als Frau in der Kirche einzubringen.

Trotz aller Dankbarkeit und Freude an meinem Beruf begegne ich weiter Herausforderungen. Es ist nicht immer einfach in Systemen und Räumen zu stecken, die sich radikal verändern werden und bei denen man selbst keine wahren Lösungen herbeiführen kann. Ich meine oft vor einem Berg an Scherben zu stehen, Scherben die von vielen Wunden zeugen – doch auch Scherben, die neue Räume und Platz verschaffen, Gottes Wort zu verkünden, den Dienst in Liebe und zum Heil der Menschen zu tun. Und das ist für mich im Moment genau das „Mehr“, nach dem ich mich gesehnt hatte.

 

Zur Person

Petra Renz (31) aus Bad Schussenried ist Pastoralreferentin in Göppingen. Sie studierte Theologie in Tübingen, Wien und Rom. Ihre Pastoralassistenz ab- solvierte sie von 2016 bis 2019 in der Seelsorgeeinheit Oberes Achtal in Wolfegg.