Er habe die „typische Sakristeikarriere hingelegt“, sagt Peter Hohler. Im Interview spricht der Bischofssekretär über seine Arbeit, erzählt von seinem Studium im Ausland und erklärt, was Segeln mit Glauben zu tun hat.
In der Politik sind die Sekretäre oft Türöffner für eine informelle Auskunft und werden dementsprechend umgarnt. Erleben Sie das auch, seit Sie Bischofssekretär sind?
(lacht) Davon würde natürlich niemand erzählen – aber es ist tatsächlich so, dass ich öfter sehr freundlich angesprochen werde. Da muss man sich immer klarmachen: Das gilt weniger mir als Person als dem Amt und man sollte dementsprechend Vorsicht walten lassen…
Was beinhaltet Ihre Arbeit? Wie sieht ein typischer Alltag aus?
Es ist ein Sekretariat wie jedes andere. Der Bischof hat neben mir noch weitere Sekretärinnen und eine persönliche Referentin. Alles, was mit Liturgie zu tun hat, liegt bei mir. Ich kümmere mich also bei den Gottesdiensten um die organisatorischen Fragen: Welche Lieder sollen verwendet werden? Was muss in der Gemeinde vor Ort vorbereitet werden? Ich treffe Absprachen, probe mit den Ministranten und so weiter … und es geht auch darum, die unterschiedlichen Wünsche der verschiedenen Beteiligten in Einklang zu bringen, wie zum Beispiel bei der Vorbereitung auf den ökumenischen Gottesdienst zur Eröffnung der Bundesgartenschau in Heilbronn. Solche Herausforderungen machen mir Spaß.
Passt die Aufgabe zur priesterlichen Berufung?
Ja – Verwaltung ist nicht gottlos! Zwischen Verwaltung und Pastoral kann ich nicht scharf trennen. Man muss hier oft vermitteln und dabei auch wissen, was die Bedürfnisse der Menschen vor Ort sind. Sachliches Arbeiten und herzliches Verstehen gehen dabei Hand in Hand. Oft heißt es ja nüchtern: „Das hat Rottenburg entschieden.“ Wir hier sind dann gefordert, dass das nicht als Kontrolle oder Gängeln aufgefasst wird. Und da ist ganz klar auch pastorales Gespür gefragt. Wir finden das ja schon bei Paulus, der vom Leitungsamt schreibt, dass es auch geistliche Qualität hat. Ich versuche, die Menschen nie nur als „Fall“ zu behandeln, sondern frage mich immer wieder: Wo spricht aus ihnen der Heilige Geist?
Sie posten in den sozialen Netzwerken häufig Bilder der Kirchen, die Sie durch Ihre Arbeit kennenlernen – haben Sie eine Lieblingskirche?
Ich stelle immer wieder fest, wie sehr einen der architektonische Stil prägt, mit dem man aufgewachsen ist. Ich komme aus einer Gemeinde mit einem modernen Kirchenbau. Eine typische „Halleluja-Garage“ würden manche sagen. Tatsächlich gefällt mir das am besten. Seit ich viel in Oberschwaben unterwegs bin, habe ich sogar einen Zugang zum Barock gefunden. Aber meine Lieblingskirche ist nicht in der Diözese zu finden – es ist San Giovanni a Porta Latina in Rom.
Wie kam es eigentlich, dass Sie die kirchliche Laufbahn eingeschlagen haben? Ihre Schwester arbeitet ja auch in der Diözese, als Pastoralreferentin. Das klingt nach einem frommen Elternhaus, wenn gleich zwei Kinder den Weg in die Kirche finden …
Also erst mal: Alle meine vier Geschwister haben auf ihre Weise einen Weg in die Kirche gefunden (lacht). Neben meiner Schwester hat auch noch ein Bruder Theologie studiert, er wird Religionslehrer. Natürlich ist die religiöse Sozialisation wichtig und ja, es stimmt, ich komme aus einer gut katholischen Familie. Aber als klassisch fromm würde ich das weniger bezeichnen; eher kritisch-katholisch, weltoffen, engagiert. So habe ich, das kann man schon sagen, die typische „Sakristeikarriere“ hingelegt. Vom Kinderchor über den Ministrantendienst bis zum Zeltlagerleiter.
… und dann haben Sie die Entscheidung getroffen, Priester zu werden. Gibt es ein Berufungserlebnis?
Ein besonderes Berufungserlebnis kann ich so nicht erzählen. Bei mir war es ein langsamer Weg des Hineinfindens. Immer wieder habe ich geprüft: „Passt das? Dann geh ich weiter.“ Also ganz im Sinne der klassischen Unterscheidung der Geister vom heiligen Ignatius, der fragt: „Wo fühle ich mich am meisten getröstet?“ Ganz massiv zu meinem Weg hat dazugehört, dass ich die Welt ergründen wollte. In der Schule haben wir Goethes Faust gelesen, der herausfinden will, „was die Welt im Innersten zusammenhält“. Das hat mich getroffen – und auch angetrieben. Außerdem habe ich schon früh meinen Lebenssinn in sozialen Tätigkeiten gesucht und wollte zuerst Medizin studieren. Als es an die Berufswahl ging, reichte mir das irgendwie nicht. Viele Menschen sind körperlich gesund und trotzdem unzufrieden. Ich hatte dann einen sehr guten Religionslehrer, der uns aufgeklärte, diskursfähige Theologie beigebracht hat, und ich habe Priester kennengelernt, die mir zeigten, dass der Priesterberuf unglaublich erfüllend sein kann. Das sind ein paar von vielen unterschiedlichen Bausteinen, die sich zusammengefügt haben. Nach dem Abitur bin ich dann auf das Ambrosianum, das damals noch in Ehingen war. Ich habe mir auch dort die Frage, besonders auch die nach der Lebensform, der Ehelosigkeit, immer wieder gestellt und bin zu dem Schluss gekommen: Das passt. Bis heute.
Ihr Weg zum Priestertum unterscheidet sich anschließend von der sonst üblichen Laufbahn. Sie haben in Jerusalem und Rom studiert. Wie kam es dazu?
Vom Orient hatte ich schon seit dem Ambrosianum geträumt, als wir Althebräisch gelernt haben. Vielleicht hatte ich auch eine etwas romantische Vorstellung, aber ich wollte im dritten Studienjahr sehr gerne nach Jerusalem. Das hat dann geklappt, ich wurde für das „Theologische Studienjahr“ an der Dormitio-Abtei ausgewählt.
Hat sich die romantische Vorstellung bewahrheitet oder entzaubert?
Ja, zum einen hat sie sich bestätigt. Wir waren viel auf archäologischen Ausgrabungen und politischen Exkursionen unterwegs. Dabei habe ich viel von dem Orient kennengelernt, der mich fasziniert. Und natürlich ist gerade Jerusalem ein heiliger Ort, wo sich geistliche Erfahrung unglaublich verdichtet. Ich muss dabei an ein Bibelwort denken: „Seht Gottes Zelt auf Erden.“ Wenn man das Heilige Land bereist, ist das, wie wenn man die biblischen Szenen als Schwarz-Weiß Fotos vor sich liegen hatte, die dann plötzlich Farbe bekommen. Andererseits bekommt man, wenn man im Land lebt, die politischen Auseinandersetzungen viel stärker mit und spürt diese Spannung.
Und Rom?
Nach Rom wurde ich von der Diözesanleitung entsandt. Mir war das Studium dort erst mal ziemlich suspekt. Ich kannte das deutsch-ungarische Seminar „Germanicum“ überhaupt nicht und habe mir dann erst mal vor Ort ein Bild gemacht. Dort ist mir ein Satz vom heiligen Ignatius begegnet, der mir davor schon wichtig war: „Nur wenige Menschen ahnen, was Gott aus ihnen machen würde, wenn sie sich Ihm ganz überließen.“ Das war für mich dann schon ein erstes kleines Zeichen, dass das richtig ist (lacht). Und tatsächlich: Ich bin in Rom vielen netten und theologisch aufgeschlossenen Menschen begegnet, die gemeinsam und in großer Vielfalt an der Zukunft der Kirche arbeiten wollen.
Das „Germanicum“ gilt auch als Kaderschmiede …
Ja, das hält sich hartnäckig (lacht). Das ist seiner Geschichte zu verdanken. In der Zeit der Konfessionalisierung haben Adelsfamilien ihre Söhne gerne dorthin geschickt – da war schon von vornherein klar, dass sie keine einfachen Gemeindepfarrer werden sollen. Einige von ihnen waren dann später wirklich Bischof; daher kommt dieser Nimbus, dass alle Germaniker Bischöfe werden. Heute stimmt das sicher nicht mehr.
Wie unterscheidet sich das Studium von dem in Deutschland?
Das eine Theologiestudium gibt es dort ja nicht, sondern viele Hochschulen mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Ich habe zum Beispiel bei den Jesuiten und bei den Salesianern studiert. Immer wurde auf Kirchlichkeit geachtet; manches war etwas traditionslastig oder konzentrierte sich übermäßig auf päpstliche Aussagen. Aber andererseits gab es überraschende und kluge Vorlesungen. Und es ist natürlich sehr international; in Rom studiert die ganze Weltkirche.
Vermissen Sie etwas aus der italienischen Hauptstadt?
Ja, definitiv! Das italienische Essen … eine gute römische Pizza oder das einfache Nudelgericht „Cacio e pepe“ sind schon etwas sehr Feines. Und die römische Landschaft, ihre Ruinen … und die herzliche Sprache der Menschen dort, das fehlt mir schon manchmal.
Sie engagieren sich als leidenschaftlicher Segler auch für ein neues Format namens „Sail & Pray – geistliche Tage auf See“. Was hat Segeln mit Glauben zu tun?
Unglaublich viel! Da ist zum einen die enge Verbindung mit der Natur, man ist total abhängig vom Wetter. Und für Anfänger ist immer erschreckend, wenn das Boot sich ins Wasser legt. Kippt es um? Das ist eine Übung, Vertrauen zu lernen. In der Bibel tauchen ja auch sehr viele Erzählungen auf, die dazu passen, zum Beispiel als die Jünger mit Jesus auf dem Boot sind, als es in einen Sturm gerät. Diese Erzählungen bekommen durch die eigene Erfahrung eine ganz andere Präsenz. Im Leben geht’s, wie beim Segeln, um das Vertrauen, das Glaubenkönnen.