Franz Günthner arbeitet seit über 25 Jahren als Kirchenmusiker. Nach München und Ammersee wurde er schließlich nach Leutkirch als Regionalkantor berufen. Er kann sich keinen schöneren Beruf vorstellen.
Aufmerksam schaut Franz Günthner seiner Orgelschülerin über die Schulter. Durch die weite gotische Kirche dröhnt der durchdringende Klang des mächtigen Instruments, das auf der Empore noch viel kräftiger klingt, als unten im Kirchenschiff. Günthner ist der Kirchenmusiker der Gemeinde. In dunkler Jeans, kombiniert mit eleganten Stiefeletten und einer Weste, steht er auf der Tribüne und fährt sich durch das leicht ergraute volle Haar. „Sie müssen das lateinische nehmen, weil es in F-Dur ist“, sagt er freundlich und tauscht dann mit der jungen Frau an der Orgel kurzerhand den Platz, um ihr die Passage vorzuspielen. Gekonnt fliegen seine langen Finger über die Tasten, mit den Füßen bedient er die Pedale. „Das braucht mehr Power“, sagt er bestimmt. Schließlich macht er ein paar Notizen in das Notenheft und verabschiedet seine Schülerin bis zur nächsten Stunde.
Neben der Orgel auf dem Boden stehen ein paar Schuhe und eine Flasche „Allgäuer Alpenwasser“. Die Kirche in der er unterrichtet ist St. Martin in Leutkirch im Allgäu. Seit 2011 ist Franz Günthner hier als Kirchenmusiker angestellt. Sein bayrisch-rollendes „R“ verrät jedoch, dass er ursprünglich nicht aus der Region stammt. „Ich komme aus Konnersreuth in der nördlichen Oberpfalz“, sagt er. Bereits als Kind kam er mit Kirchenmusik in Berührung, sein Vater sang im örtlichen Kirchenchor. Schon früh hatte es ihm außerdem die Orgel angetan. „Sie hat mich immer fasziniert. Am Anfang habe ich Gottesdienste begleitet ohne überhaupt Noten lesen zu können. Die Akkorde habe ich mir zusammengesucht“, erzählt er schmunzelnd. Das Interesse wurde von den Eltern unterstützt, als Schüler nahm Günthner dann Orgelunterricht an der Hochschule für Kirchenmusik in Regensburg. Schnell war ihm klar, dass er später als Musiker arbeiten möchte.
„Man geht ein gemeinsames Stück Weg“
Nach Abitur und Zivildienst unterzog er sich dann den Aufnahmemodalitäten an der Hochschule für Musik und Theater in München. „Das war 1988, damals haben sie von 40 Bewerbern nur acht genommen.“ Franz Günthner erreichte einen der begehrten Plätze. Parallel zum Studium arbeitete er in einer Münchner Gemeinde und merkte schnell, dass im Arbeitsalltag die Pädagogik mindestens genauso wichtig wie die künstlerische Leistung werden sollte. „Man braucht am Anfang Zeit bis man beispielsweise gelernt hat als Chorleiter vor einer Gruppe zu stehen und sie anzuleiten“, erinnert er sich. Als Kirchenmusiker begleitet man nicht nur die Gottesdienste, sondern hat in der Chorarbeit und im instrumentalen Unterricht mit allen Altersgruppen zu tun. Heute sind es „vom Kleinkind bis Senior circa 120 Personen“, die er wöchentlich sieht. „Da lernt man sich schon kennen, freut sich gemeinsam, ja geht ein gemeinsames Stück Weg“, sagt er und lächelt.
Nach dem Studium arbeitete Franz Günthner zunächst weiter in der Münchner Gemeinde. Ein „Praxisjahr“ als Übergang, wie es in der Diözese Rottenburg-Stuttgart vorgesehen ist, gab es nicht. „Man geht direkt in die Vollen – ein Praxisjahr wäre sehr sinnvoll gewesen, ich begrüße das Rottenburger Modell“, sagt er rückblickend. 1998 wechselte er ans Dießener Marienmünster am Ammersee und rief dort eine erfolgreiche Konzertreihe ins Leben, bis er sich schließlich 12 Jahre später in Leutkirch bewarb. Dort lebt er nun mit Frau und Sohn und ist als Kirchenmusiker für die Gemeinde angestellt, arbeitet aber auch als Regionalkantor im Dekanat Allgäu Oberschwaben. „Der Diözesanmusikdirektor Walter Hirt bezeichnet uns Regionalkantoren gerne auch als seine Außenminister“, sagt er. Außerdem gibt er den Kollegen regelmäßig praktische Hilfen und Impulse. Der rege Austausch unter den Kirchenmusikern in der Diözese ist Günthner wichtig. Fünf Mal im Jahr sehen sie sich auf einer gemeinsamen Tagung. „Das habe ich noch nirgendwo anders erlebt, das schätze ich sehr“, sagt er. Auch in Leutkirch fühlt er sich wohl. Die Zusammenarbeit mit dem Pastoralteam gelingt, dabei ist jeder Tag ein bisschen anders. Andachten, Orgelunterricht, Chorstunden, Konzerte, Gottesdienste, aber auch Dienstgespräche, Sitzungen und Büroarbeit prägen die meiste Zeit. Franz Günthner schätzt seine Freiheit. „Der Kirchenmusiker braucht sie damit Inspiration möglich ist. Das ist wie ein Feuer – damit es brennen kann, braucht es Sauerstoff“, sagt er und lächelt.
„Man muss berufen sein“
Musik hat für den 49-Jährigen viel mit Glauben zu tun. „Wer mit einigermaßen offenem Herzen in eine Kirche geht und dort Musik hört, der wird erhöht“, ist er sicher. „Musik ist immer ein Gebet. Sie hat den Vorteil, dass sie den Menschen direkt anspricht, es ist eine Wirkung, der man sich nicht entziehen kann. Mit Worten ist es schwer, weil sie bei jedem andere Assoziationen hervorrufen“. Ob man dann auch als Kirchenmusiker arbeiten kann, wenn man selbst nicht gläubig ist? Franz Günthners Antwort kommt schnell: „Nein. Man muss finde ich wirklich im Glauben stehen, muss berufen sein um diesen Beruf machen zu können. Es geht schließlich auch darum die christliche Botschaft immer neu mit Leben zu füllen und den Glauben lebendig zu halten“. Ihn macht das glücklich, das spürt man. Ohne zu zögern würde er deshalb jungen Menschen mit einem Interesse an Kirchenmusik raten sich wie er zu entscheiden – für einen Beruf, der auch nach über 25 Jahren noch sichtlich Freude macht.
Text: Alina Rafaela Oehler (26)