Ausgerechnet einen englischen Lordkanzler zum Patron zu wählen, der noch dazu als entschiedener Gegner der Reformation bekannt ist, sieht der Katholischen jungen Gemeinde eigentlich nicht ähnlich. Weltoffen, demokratisch, aber vor allem tolerant will die KjG sein. Wieso hat sie dann 1961 Thomas Morus zu ihrem Patron gewählt und verehrt ihn bis heute stolz als ihr Vorbild? Es ist sein unerschütterliches Festhalten an der eigenen christlich-humanitären Überzeugung, die noch heute Aktualität hat und junge Menschen begeistern kann. Thomas Morus war weder weltlichen noch geistlichen Autoritäten, sondern nur Gott und dem eigenen Gewissen untertan – eine Haltung, die ihn am Ende auf das Schafott brachte.

„DAS KREUZ STEHT FEST“

Morus (*1478 in London), Sohn eines Richters am Königlichen Gerichtshof, folgte dem Vater im Beruf und machte schnell Karriere. Schon in seiner Kindheit wurde er von der strengen, unangepassten und entweltlichten Spiritualität der Kartäuser geprägt, bei denen er wohnte. Deren Losung war damals wie heute: „Das Kreuz steht fest, während die Welt sich dreht.“

Beeinflusst von Theologen wie John Fisher und Erasmus von Rotterdam vereinte er tiefe christliche Frömmigkeit mit humanistisch-kritischer Gelehrsamkeit. Markant ist seine Fürsorge um die Bildung seiner Töchter, nicht nur des Sohnes, für deren Recht auf Bildung er – seiner Zeit weit voraus – plädierte.

1529 zum Lordkanzler ernannt, wurde er zum strengen Gegner der Reformation, die in seinen Augen die Einheit des Christentums gefährdete und den Weg der Erlösung banalisierte. Allein durch Glaube – da fehlte Morus die Sorge um Buße, Demut und rechte Lebensweise. Dennoch toleriert er den protestantischen Schwiegersohn und formuliert in seiner 1516 verfassten Utopia, „dass niemand um seines Glaubens willen angefeindet werden darf“. Als König Heinrich VIII. seine Ehe mit Katharina von Aragon annullieren lassen wollte, sich der Papst aber verweigerte, kam es zum Bruch zwischen dem König und seinem Lordkanzler. Morus verweigerte aus Gewissensgründen, sich weiter für die Auflösung der Ehe einzusetzen. Als Heinrich 1532 die Englische Kirche abspaltete und sich zu deren Oberhaupt ernannte, trat Morus von seinem Amt zurück. Er weigerte sich zwei Jahre später, die Legitimität der aus der neuen Ehe entstehenden Kinder anzuerkennen. Wegen Hochverrats beschuldigt und im Tower inhaftiert, wurde Thomas Morus am 6. Juli 1535 hingerichtet.

Im Jahr 1935, als die großen Ideologien des 20. Jahrhunderts die politische Bühne beherrschten, wurde Thomas Morus von Pius XI. heiliggesprochen, ein Zeichen des religiösen Widerstandes gegen totalitäre Herrschaftsansprüche, das auch die KjG aufgriff, die unter der Herrschaft des Naziregimes verboten gewesen war.

„… NIE ERWOGEN HABE, IN ETWAS EINZUWILLIGEN, WAS GEGEN MEIN GEWISSEN GINGE“

Der heilige Thomas Morus macht Mut, auf die eigene Vernunft und das Gewissen zu vertrauen statt auf die aufgeregten Stimmen totalitärer Hetze. Nicht als Advokat der Kirche im Konflikt von Krone und Papst, nicht als Verteidiger des Katholizismus gegen die Reformation ist Morus ein beeindruckender Heiliger. Sondern weil er sich den ungerechten Autoritäten widersetzt hat, allein auf sein Gewissen gehört hat, und mit Nachdruck seinen Standpunkt verteidigt hat, auch wenn es ihn am Ende das Leben gekostet hat.

Die liebevollen Briefe, die er noch 1534 aus der Haft an die Tochter schreibt, beeindrucken durch ihr tiefes Gottvertrauen. So schreibt Morus, mit sich selbst im Reinen, dass er „nie erwogen habe, in etwas einzuwilligen, was gegen mein Gewissen ginge und was mich der Freundschaft Gottes berauben würde“. So ein politisches Christsein begeistert mich und taugt nicht nur der KjG zum Vorbild.

 

Text: Andreas Hund (27)