Glaube hat für sie zwei Dimensionen: entlastend und herausfordernd zugleich. Den stetigen Fragendes Glaubens stellt sich auch Ulrike Mayer-Klaus. Im Interview spricht die neue Ausbildungsleiterin der Gemeindeassistent/inn/en über ihren Berufsanfang, was Auszubildende lernen sollten und auf was sie besonders neugierig ist.

Frau Mayer-Klaus, denken Sie an den Antritt Ihrer neuen Stelle zurück. Wie war diese Zeit für Sie?

Nun, ich dachte, ich kann erst mal kommen und mir alles anschauen. Doch dann war alles anders. Natürlich habe ich viel übernommen, was an der Stelle bereits geplant war. Ich habe das bisherige Curriculum kennengelernt und gleichzeitig reflektiert, ob das zu dem passt, was in der Pastoral heute gefragt ist. Durch meine vorherige Aufgabe bin ich ja nicht ganz unbedarft gekommen. Lange war ich am Institut für Fort-und Weiterbildung als Referentin für Liturgie mit Kindern und Familien-pastoral tätig. Zudem hatte ich einen Teilauftrag als Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit. Beide Bereiche, die Stelle auf Diözesanebene und die Arbeit an der Basis – nah an den Lebensthemen der Menschen – ergänzten sich gut. Und die gesammelten Erfahrungen an beiden Stellensind mir wertvoll in meiner neuen Aufgabe.

Was macht Ihre neue Stelle für Sie aus?

Ich finde es schön und spannend, jedes Jahr neue motivierte Menschen in der Berufseinführung kennenzulernen und sie ein Stück weit in das konkrete Berufsfeld hinein begleiten und qualifizieren zu dürfen. Menschen, die von unterschiedlichen Studienorten, mit unterschiedlichen Qualifikationen, Erfahrungen und Vorstellungen kommen, prägen das Berufsbild individuell und sind ein Gewinn für die pastoralen Anforderungen heute. Ob die Leute sich längerfristig in den pastoralen Dienst stellen, das hängt sicher auch von Profilen und Entwicklungsmöglichkeiten ab , die wir als Diözese anbieten können – eine wesentliche Aufgabe der Personalentwicklung.

… und warum haben Sie sich für einen Beruf in der Kirche entschieden?

Ich bin in einer gut funktionierenden kirchlichen Jugendarbeit groß geworden. Dabei spielten auch kompetente kirchliche Mitarbeiter/innen als Gesprächspartner/innen und Wegbegleiter/innen eine entscheidende Rolle. So war ich selber Gruppenleiterin, engagierte mich auf Dekanats- und Verbandsebene und leitete nebenher einen Kinderchor. Irgendwann entschied ich mich, mein Hobby zum Beruf zu machen.
Meine erste Stelle nach dem Studium führte mich nach Heidenheim, wo ich sehr gute Teamerfahrungen sammeln konnte. Der Berufsanfang ist prägend. Dies ist für mich auch bedeutsam bei der Stellensuche für künftige Gemeindeassistent/inn/en.

Jetzt leiten Sie Gemeindeassistent/inn/en, die auf einem ähnlichen Weg sind wie Sie damals. Was möchten Sie den Auszubildenden besonders mitgeben?

Ein wesentlicher Aspekt ist hier sicher, dass Menschen mit sich selber in Berührung sind. Die Annahme des eigenen Lebens zeigt sich auch in der Art und Weise, wie ich mit anderen umgehe. Im seelsorgerlichen Wirken geht es immer auch um ein gutes Spürbewusstsein für das Eigene. Deshalb ist in der Gestaltung von Kursmodulen neben der Inhaltsvermittlung auch die Reflexion der eigenen Erfahrungen wesentlicher Bestandteil. Gerade das Liturgie-Feiern hat zum Beispiel viel mit der eigenen Haltung zu tun: Was trägt mich selbst im Glauben? Wie spreche ich? Wie präsentiere ich das Evangelium, damit es von den Menschen heute mit ihren Themen und Fragen verstanden wird?

Welche Rolle spielt dabei der eigene Glaube?

In jeder Form der Verkündigung spüren die Menschen, ob jemand hinter dem steht, was er/sie sagt. Wofür ich stehe, wofür ich brenne, das ist nichts Statisches, was ich einmal erwerbe und womit ich sicher durchs Leben gehe. Glaube ist eine Bewegung, die ich immer wieder neu aufspüren, suchen und entdecken muss, manchmal mehr in der Ferne und in unsicherem Fragen als in klaren Antworten. Es braucht darin eine Offenheit für die Vielfalt dessen, was Menschen auf Leben und Glauben hin bewegt. In der Ausbildung geht es darum, die künftigen pastoralen Mitarbeiter/inn/en zu stärken, dieser Vielfalt zu begegnen, angemessene Sprache und Ausdrucksweisen zu finden – ich würde sagen „religionssensibel“ zu agieren. Ich gehe davon aus, dass Menschen auf ihre je eigene Art religiös sind. Diesen Schatz gilt es zu heben und mit dem Evangelium in Verbindung zu bringen. Deshalb braucht es eine Vielfalt an Angeboten und eine große Flexibilität. Dafür sollen die jungen Menschen sensibilisiert und befähigt werden.

Wie würden Sie Ihren persönlichen Glauben beschreiben?

Glaube hat für mich zwei Dimensionen. Zum einenden entlastenden Aspekt, den ich in der Übung des Loslassens, in der Stille und Meditation lebe. Da bedeutet Glaube für mich Auftanken, Ausruhen oder, wie es Teresa von Avila ausdrückt, „Verweilen bei Gott“. Und dann ist es die herausfordernde Seite des Glaubens, die mir vor allem in Grenzerfahrungen und in belastenden Situationen begegnet, wenn ich fürchte, dass mir die Gottesnähe abhandenkommen könnte.

Wie schaffen Sie die Balance zwischen diesen beschriebenen Dimensionen?

Nun, in guten und erfolgreichen Zeiten ist es leichter, die Balance zu halten. Kritisch sind eher die Zeiten ,in denen Lebenssituationen so belasten, dass man verzweifelt nach Gott ruft und sich die Frage stellt, ob er denn überhaupt da ist bzw. jemals eingreift. Die Balance bedeutet in diesem Fall dann eher: Spannung und Ungewissheit aushalten – und da muss man schauen, was einem hilft. Manchmal ist es das Erinnern und Zurückgreifen auf Gebetsformen oder Rituale, die man im Laufe des Lebens entwickelt hat und die zu anderen Zeiten schon mal hilfreich und haltgebend waren.

Sie sind jetzt Ausbildungsleiterin – was bedeutet Leitung wahrzunehmen für Ihr Selbstverständnis und Ihre Aufgabe?

Ich nehme Leitung wahr und trage Verantwortung für ein Konzept, ein Curriculum, welches die Menschen in der Ausbildungsphase befähigen soll, in den Feldern heutiger Pastoral – mit teilweise komplexen Anforderungen – gut und kompetent arbeiten und wirken zu können.
Dazu gehört für mich auch die Befähigung, Situationen vor Ort differenziert wahrnehmen, beschreiben, analysieren und daraus ein zielgerichtetes und handlungsorientiertes Konzept entwickeln und umsetzen zu können.
Eine wesentliche Leitungsaufgabe besteht für mich in der Führung und Begleitung der mir anvertrauten Menschen. Dabei gilt es, die Fähigkeiten und Kompetenzen der einzelnen zu fördern und zu entwickeln, damit diese zu ihrer je eigenen Berufsidentität finden – auch im Zusammenwirken mit den anderen pastoralen Berufen. Leitung wahrnehmen heißt für mich zudem, nicht nur die reine Ausbildungsphase im Blick zu haben, sondern genauso das, was davor und was danach geschieht.

Was steht denn in der näheren Zukunft an und worauf freuen Sie sich am meisten?

Wir entwickeln natürlich das Ausbildungskonzept immer weiter und passen es an aktuelle Herausforderungen an. Ein neuer Akzent im kommenden Jahr wird zum Beispiel das Kursmodul „Sprechen fürs Hören“ sein. Da geht es um lebensnahe Verkündigung, um Wortwahl und Formulieren von Beiträgen, die die Menschen heute erreichen und ansprechen– ein Projekt in Kooperation mit dem SWR.
Und ich freue mich ganz allgemein sehr auf die Begegnung mit den Menschen, die in die Berufseinführung kommen. Ich bin neugierig und freue mich auf das, was sie mitbringen. Dort bin ich nicht nur diejenige, die anleitet und Impulse setzt, sondern ich lerne von deren Erfahrungen. Da bleibe ich selber beweglich und lebendig.

TEXT: ELISABETH BÖCKLER (22) UND MAXIMILIAN MAGIERA (23)