Dass in der Kirche nicht nur Theologen ihren Platz haben, zeigt Elisabeth Wütz. Ihr Weg hat die studierte Sozialpädagogin über die Jugendarbeit bei den Johannitern und das katholische Dekanatsjugendreferat in Freudenstadt bis ins Bischöfliche Ordinariat (BO) geführt, wo sie seit 2019 als Personalreferentin arbeitet. Mit berufen hat sie sich über neue Wege in der Diözese, ihren beruflichen Werdegang und die Arbeit im BO als „Nicht-Theologin“ unterhalten.
Frau Wütz, wie würden Sie sich selbst beschreiben? Was macht Sie als Person aus?
Ich glaube, ich kann gut vermitteln. Ich habe einen gewissen Humor und ich glaube, dass ich jemand bin, der Sachen auch zu Ende bringt. Darüber hinaus bin ich auch sehr unkonventionell …
In welchem Sinne unkonventionell?
Nun, vielleicht ist es auch nicht das richtige Wort, aber ich gehe eben meinen eigenen Weg und bekomme dann manchmal auch erst später raus, wie man es eigentlich hätte machen müssen – Verwaltung ist ja manchmal schwierig. Ich bin dann auch mal die, die einfach anfängt und nicht ewig überlegt, was passieren könnte, und ich denke, das ist auch wichtig.
Was kann man sich eigentlich unter Ihrem Beruf im BO vorstellen?
Es gibt einen Personalmangel in der Diözese in Bezug auf theologisches Fachpersonal, und es können perspektivisch nicht mehr alle Stellen im pastoralen Bereich besetzt werden. Deshalb hat sich die Diözese überlegt, dass sie die Teams vor Ort multiprofessionell ergänzen will, also mit Menschen, die einen ähnlichen Beruf gelernt haben. Dazu wurden im Stellenplan insgesamt 120 unbesetzte Vollzeitstellen in der ganzen Diözese – von beispielsweise Diakonen oder PastoralreferentInnen – umgewandelt. Meine Stelle wurde dazu eingerichtet, um dieses Konzept umzusetzen.
Der andere Teil sind die Profilstellen. Die Diözese hat nochmal 40 Stellen aus dem Pastoralen Stellenplan genommen, die den Dekanaten zur Verfügung gestellt werden, damit diese wichtige Zukunftsthemen angehen können. Wir gehen davon aus, dass jetzt noch die Ressourcen da sind, um Sachen auszuprobieren, die wir brauchen, um in die Zukunft zu gehen. Meine Aufgabe ist es, in einer Schnittstelle mit den Dekanaten, der Hauptabteilung IV Pastorale Konzeption und den verschiedenen Fachabteilungen zu überlegen: Sind die Ideen und Schwerpunkte wirklich zukunftsgerichtet und gut ausformuliert? Außerdem begleite ich die Dekanate bei der Ausschreibung und Besetzung der Profilstellen. Und auch die übergeordnete Begleitung der StelleninhaberInnen gehört zu meinen Aufgaben. Hört sich wahnsinnig kompliziert an, nicht? (lacht)
Das klingt tatsächlich sehr vielfältig. Was macht Ihren Beruf denn so außergewöhnlich oder spannend?
Also ich glaube, das Außergewöhnliche daran ist, dass dieses Modell für die Kirche in Deutschland noch etwas relativ Neues ist. Wir sind die einzige Diözese, die diesen Weg so intensiv geht. Ich hatte beispielsweise eine Videokonferenz mit dem Bistum Aachen und habe dann von unseren geplanten 120 Stellen berichtet. Die in Aachen waren auch völlig überrascht. Und das Spannende und Schöne ist, dass es nahezu allen MitarbeiterInnen, die auf diesen Stellen neu angefangen haben, große Freude macht und sie begeistert von dieser Arbeit in den Kirchengemeinden sind. Oft sind das Menschen, die schon zwanzig Jahre woanders gearbeitet haben und schwierige Dinge manchmal sehr pragmatisch angehen und auf eine gewisse Erfahrung zurückgreifen können. Und das hilft!
Wie kamen Sie dazu, bei der Kirche arbeiten?
Was ist denn eigentlich Kirche? Kirche ist ja unglaublich vielfältig, denn wenn man bei der Caritas oder in einem Altenheim arbeitet, ist mindestens die Hälfte davon kirchlich. Ich finde, Kirche ist ja nicht nur das BO hier. Aber es ist schon spannend, dass genau ich hier im Ordinariat gelandet bin; das hätte ich mir nicht vorstellen können.
Ich habe ja Soziale Arbeit studiert und bin dann zuerst einmal bei einem evangelischen Träger gelandet. Auch dort habe ich mich sehr wohl gefühlt, weil die Menschen dort sehr diese praktische Nächstenliebe gelebt haben. Das Christliche an sich war mir schon immer wichtig und das ist dort bei den Johannitern ebenfalls sehr gelebt worden. Die katholische Kirche ist natürlich wieder in manchen Dingen anders, aber mir war es wichtig, irgendwo arbeiten zu können, wo ich hinter den Idealen und Werten der Organisation stehen kann. Deshalb war es kein großer Bruch. Es geht schlussendlich immer darum, wo man ist, wie die Ebene ist, wie die Leitungen sind und auch wie „christlich“ man sich selbst verhält.
Wie ist es als Nicht-Theologin unter lauter Theologen? Gehen Sie die Dinge vielleicht anders an?
Nun, die Theologen sind ja auch nicht alle gleich. Es ist schließlich nicht „nur“ die Studienrichtung, sondern eher die Arbeitsweise oder die Institution, bei der man arbeitet, die einen zu dem macht, der man ist. Ich habe unter den Kollegen übrigens auch durchaus nochmal einen Diplompädagogen und eine Sozialpädagogin. Ich glaube aber, wenn man an der Uni studiert, lernt man hauptsächlich, sich in ein bestimmtes Feld oder eine neue Aufgabe einzuarbeiten. Natürlich gibt es in der Kirche Dinge, mit denen ich mich nicht so auskenne, aber das ist vielleicht
auch manchmal leichter so. Und bei manchen Diskussionen denke ich nicht ganz so philosophisch, dafür bin ich vielleicht ein bisschen pragmatischer.
Und auch wenn es da viele Vorurteile übers BO gibt, arbeiten hier alle hart und sind sehr engagiert, Theologen wie Nicht-Theologen. Und eigentlich, finde ich, bin ich sehr gut aufgenommen worden als eine aus den weiteren Berufen, aber da könnte man ja mal bei den Kollegen fragen. (lacht)
Also haben Sie nicht das Gefühl, dass Ihnen ohne das Theologie-Studium etwas fehlt?
Witzigerweise bin ich ja auch schon gefragt worden, wann ich denn Theologie studiert habe. Und dann sage ich halt: Ja, gar nicht. Also ich glaube, viele merken das gar nicht, dass ich kein Theologiestudium habe. Bei den Johannitern war das auch so: Ich war keine Rettungsassistentin und habe trotzdem die Jugend einer Hilfsorganisation betreut. Das geht auch, und manchmal ist es sogar besser, wenn man den Leuten dann sagt: Du hast diese Kompetenz, und deswegen brauche ich deine Hilfe.
Würden Sie sich selbst als berufen beschreiben? Ist Ihre Berufung der Beruf?
Eine schwierige Frage … vielleicht bin ich wirklich die, die hier etwas Neues mittragen soll. Es war wahrscheinlich totaler Zufall, dass die Stelle jetzt gerade so frei geworden ist, und ich habe auch das Gefühl, das passt ganz gut, ich und die Stelle. Von dem her war es vielleicht einfach „zur richtigen Zeit am richtigen Ort“. Und dann mal schauen, ob das dann für die nächsten zwanzig Jahre meine Berufung ist. Mich reizt schon auch immer das Neue.
Mit Ihren vielfältigen Perspektiven: Was würden Sie Menschen mit auf den Weg geben, die sich überlegen, einen Beruf in der Kirche anzutreten?
Nun, ich denke, es braucht nach wie vor total dringend Leute, die von Anfang an Theologie studieren, denn sonst funktioniert das Ganze nicht. Es braucht Menschen, die in die Pastoral und in die Verkündigung gehen. Ich glaube aber auch, dass sich in der Kirche jetzt schon so viel verändert und sich verändern wird, dass es wichtig ist, insgesamt eine gute Ausbildung zu machen in dem, was einem liegt.
Vielleicht muss man sich auch den Druck nehmen, dass man gleich mit der ersten Berufsentscheidung alles ganz genau wissen muss. Denn da wird man ja mit zwölf gefragt: Was willst du werden? Und ich bin ja eigentlich Sozialpädagogin geworden, weil ich eben nicht so genau wusste, was ich werden will. (lacht) Was wirklich wichtig ist, ist, seiner Berufung weiter zu folgen, sein Leben lang.
Und da bin ich total froh, dass unsere Diözese beide Wege ermöglicht. Das ist echt eine Chance, finde ich.
Zur Person
Elisabeth Wütz (47 Jahre) ist seit Juli 2019 als Referentin im Bischöflichen Ordinariat. Vom Beruf her ist sie Dipl.-Pädagogin (Sozialpädagogin) und systemische Supervisorin (SG). Geboren wurde sie in Bad Saulgau, ist verheiratet und hat 3 Kinder. Lange Jahre war sie bei der Johanniter-Unfallhilfe e.V. im Landesverband als Dezernentin für Jugend Ehrenamt und Freiwilligendienste tätig. Danach war sie sieben Jahre lang Dekanatsjugendreferentin im Dekanat Freudenstadt, bis sie ins Ordinariat wechselte.
TEXT: CORINNA MERLE (20) UND GABRIEL HÄUSSLER (21)