PASTORALREFERENTIN IM RUHESTAND

Noch ist er ganz frisch: der Ruhestand. Und den genießt Elfriede Sacha (63) mit ihrem Mann und ihren Kindern. Trotzdem hat der Beruf als Pastoralreferentin ihr Leben geprägt. Sie erzählt von Verantwortungs- und Handlungsdruck, einer immer offen stehenden Tür und der Bezeichnung „Ersatzpfarrer“.

Frau Sacha, Sie waren eine der ersten Pastoralreferentinnen. Hatten Sie diesen Berufswunsch direkt zu Beginn Ihres Studiums?
Zuerst habe ich in Tübingen Germanistik und Theologie studiert, eigentlich mit dem Ziel Lehramt. Dann habe ich das erste Staatsexamen in beiden Fächern gemacht und auch noch ein halbes Jahr Referendariat in Hechingen am Gymnasium absolviert. Ich habe aber schon zum Ende meines Studiums gemerkt, dass das einfach doch nicht ganz der Weg ist, den ich mir eigentlich vorstellte beziehungsweise den ich mir wünschte. Erst im Laufe des Studiums hat sich herausgestellt, dass es überhaupt so einen Beruf wie Pastoralreferentin gibt. Also, dass es auch eine Möglichkeit für Frauen gibt, einen kirchlichen Beruf zu ergreifen. Und da habe ich mich dann einfach beworben. Als ich angenommen wurde, habe ich meine Referendariatsstelle im Gymnasium gekündigt. Dann bin ich zur Kirche gegangen und habe die praktische Ausbildung, die Assistentenzeit in St. Andreas in Reutlingen, absolviert. Das waren damals noch zwei Jahre, mit allem Drum und Dran, bis ich hierher nach Starzach kam.

Als Sie hier nach Starzach in die Kirchengemeinden gekommen sind, war der Beruf noch sehr neu. Welche Reaktionen gab es von Gemeindemitgliedern oder Priestern auf eine Frau im pastoralen Dienst? Wurde Ihr Beruf als „Ersatz“ für das Priesteramt angesehen?
Ganz am Anfang war das so. Viele haben gedacht, dass ich eine „Ersatzpfarrerin“ sei und man zu mir mit allem kommen kann, schließlich hat mich ja der Bischof geschickt. Die Akzeptanz an sich war da. Ich habe aber schon von Anfang an versucht klarzumachen, dass ich durchaus kein „Ersatzpfarrer“ bin. Es gab schließlich einen Pfarrer oder Pfarradministrator in der Gemeinde. Sie haben schnell gemerkt, dass es einen Unterschied zum Priester gab. Es gab und es gibt da einfach bestimmte Grenzen und trotzdem immer noch genügend Möglichkeiten für mich als Frau, mich in dieser Kirche auch mit meinen Charismen einzusetzen. Als ich angefangen habe, war es zum Beispiel auch gar nie ein Problem, dass ich auch in der Eucharistiefeier gepredigt habe.

Jetzt, wo Sie im Ruhestand sind – wie würden Sie diesen beschreiben und wie geht es für Sie weiter?
Ich bin noch nicht sehr lange im Ruhestand, erst seit dem 1. Februar. Und ich muss sagen, es ist schon wohltuend. Es ist wohltuend, dass ich wirklich das machen kann, was für mich und meine Familie jetzt an der Reihe ist. Und dadurch, dass ich so eine enge Beziehung zur Kirchengemeinde hatte und auch so viel Verantwortung, war das immer ein ziemlich großer Druck. Also ein Druck, den mir gar nicht unbedingt die Gemeinde gemacht hat, sondern den ich mir selbst gemacht habe. Und dieser Druck, dieser Verantwortlichkeitsdruck, der ist jetzt weg. Das ist im Augenblick das Angenehme für mich. Und ich merke, dass mir das jetzt nach und nach ermöglicht, auf einer anderen Seite natürlich – als Ehrenamtliche – doch in manche Bereiche mit meinem Mann gemeinsam wieder einzusteigen und mich zu engagieren, wenn es nach Corona wieder möglich wird.

Was vermissen Sie aus dem Arbeitsalltag?
Die Begegnungen. Die Begegnungen mit den einzelnen Menschen. Klar, wenn ich draußen bin, sehe ich immer gleich jemanden, den ich kenne, und dann redet man miteinander. Aber das ist natürlich nicht das Gleiche, wie wenn man wirklich an gemeinsamen Projekten arbeiten und Ziele miteinander in den Blick nehmen kann. Also manchmal hätte ich schon wieder große Lust oder denke mir: An dieser Stelle müsste man was anpacken. Aber dann habe ich immer gedacht: Solange noch nicht klar ist, wer Nachfolger oder Nachfolgerin ist, beziehungsweise wie es weitergeht, möchte ich nicht unbedingt dem- oder derjenigen schon etwas vorgeben. Das war der wichtigste Grund, weshalb ich mich bis jetzt zurückgenommen habe.

Gab es für Sie rückblickend ein besonders berührendes Erlebnis in Ihrem Arbeitsleben, das Sie gerne festhalten würden?
Es gab bestimmt einige. Aber die berührendsten Augenblicke waren ganz „banale“ Dinge. Zum Beispiel, als ich bei Wortgottesdiensten immer noch bis zum Schluss aufgeregt war und die Mesnerinnen mich beruhigten und mir danach sofort Rückmeldung gegeben haben. Solche Momente haben mich immer berührt. Oder dass Teilnehmerinnen aus Gebetsgruppen mir „verraten“ haben, dass sie mich und meine Familie immer auch in ihre Gebetsanliegen mit aufgenommen haben.

Hat sich Ihre Arbeitsweise im Laufe Ihres Berufslebens und mit wachsender Erfahrung verändert?

Da gehört sicher dazu, dass ich zwar ein Büro gehabt habe, aber dort nur ganz wenig arbeitete. Privates, Familie und Dienstliches gehört für mich einfach zusammen. Mein Mann und ich hatten, als wir nach Starzach gekommen sind, noch keine Kinder. Inzwischen haben wir vier Kinder. Wegen ihnen habe ich viel von zu Hause aus gearbeitet. Von daher hat sich das schon so manifestiert, dass im Laufe der Zeit unser Haus, unsere Wohnung einfach auch das Arbeitszimmer für mich war. Von Anfang an haben wir auch versucht, für jede und jeden, der oder die gekommen ist, ein offenes Ohr zu haben. So ein persönlicher Raum ist einfach etwas anderes, auch und vor allem für den Austausch über den Glauben. Irgendwie ist das eine offenere Atmosphäre.

Gibt es etwas, das Sie aus Ihrer beruflichen Erfahrung gerne jungen Menschen, die Pastoralreferentinnen oder -referenten werden möchten, mitgeben möchten?
Ich glaube, das Allerwichtigste ist, diese Offenheit für die Leute und ihre Bedürfnisse zu haben. Alles andere kann man regeln. Wenn es beispielsweise darum geht, sich abzugrenzen, muss man das nicht mit der „Holzhammermethode“ machen, von vornherein die Menschen mit ihren Anliegen wegzuschicken, abzuweisen oder auf andere Zeiten zu verweisen, weil man eventuell jetzt gerade keine Sprechzeiten hat. Das lässt oft schon offene Türen zugehen und macht von vornherein zum Beispiel gute, offene und fruchtbare Begegnungen unmöglich.
Es ist gut und wichtig, dass man eigene Vorstellungen davon hat, wie die Gemeinde leben soll und wo man für sich selbst den Platz in ihr sieht und findet, weil sich die Situation in dem ganzen Gefüge der im Laufe der Zeit wechselnden Pastoralteams immer wieder verändert. Aber die Gemeinde bleibt doch gleich. Und deshalb ist es wichtig, offen zu sein für die Gemeinde und ihre Bedürfnisse und Belange, und nicht von vornherein zu versuchen, sich zu schützen. Denn sonst besteht die Gefahr, dass man Fragen abblockt, wenn es wichtig ist, dass sie gestellt werden – auch wenn es vielleicht scheinbar „dumme“ Fragen sein sollten. Es hängt alles damit zusammen, wie man den Beruf sieht. Für mich war es kein Beruf, sondern eher ein Stand, eine Lebenseinstellung, eine Berufung. Und diese Berufung kann ich nicht einfach vor der Haustüre abgeben.

Ich glaube, das Allerwichtigste ist, diese Offenheit für die Leute und ihre Bedürfnisse zu haben. Alles andere kann man regeln. Wenn es beispielsweise darum geht, sich abzugrenzen, muss man das nicht mit der „Holzhammermethode“ machen, von vornherein die Menschen mit ihren Anliegen wegzuschicken, abzuweisen oder auf andere Zeiten zu verweisen, weil man eventuell jetzt gerade keine Sprechzeiten hat. Das lässt oft schon offene Türen zugehen und macht von vornherein zum Beispiel gute, offene und fruchtbare Begegnungen unmöglich.

TEXT: JUDITH SCHMEREK (21)