Was ist Ihre Lieblingsbibelstelle zum Thema Berufung? Was sagt eigentlich die Bibel über Berufung? Wir haben Menschen gefragt, die es wissen müssen – die vier Ausbildungsleiter unserer Diözese, die Priester, Diakone, Pastoralreferent/inn/en und Gemeindereferent/inn/en auf den Beruf vorbereiten. Was ist ihre Lieblingsstelle zum Thema „Berufung“?
Jesus ist der Schlüssel zum Ziel
Erik Thouet, Beauftragter für die Ausbildung des Ständigen Diakonats
„Ich reite seit vielen Jahren bei der Blutreitergruppe Weißenau mit, auch beim Blutritt in Weingarten, wo seit über 900 Jahren eine Hl.-Blut-Reliquie verehrt wird. Die grösste Reiterprozession in Europa fiel in diesem Jahr wegen Corona zum ersten Mal seit dem 2. Weltkrieg aus. Im März habe ich begonnen, den Prozessionsweg zu Fuss zu gehen – als persönliche Wallfahrt. Er ist 9,4 km lang und heute war ich zum 126. Mal unterwegs.
Eine Stelle aus dem Johannes-Evangelium ist mir ins Herz gefallen. Jesus sagte:
Joh 14, 3 „Wenn ich gegangen bin und einen Platz für euch vorbereitet habe, komme ich wieder und werde euch zu mir holen, damit auch ihr dort seid, wo ich bin. Und wohin ich gehe – den Weg dorthin kennt ihr. Thomassagte zu ihm: Herr, wir wissen nicht, wohin du gehst. Wie können wir dann den Weg kennen? Jesus sagte zu ihm: Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben; niemand kommt zum Vater außer durch mich.”
Das Christentum ist vor allem eine lebendige Beziehung zu einer Person – zur Person Jesu. Eine Person, die der Schlüssel ist, um das Ziel zu erreichen: „Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben“, antwortet der Herr. Der uns nicht Weltanschauungen anbietet, Nettigkeiten empfiehlt oder Banalitäten ausgibt, sondern der uns mit sich selbst beschenkt. Wir sollen mit Ihm sein, wenn wir den Weg gehen wollen, der ins Leben führt. Beim Glauben geht es nicht in erster Linie darum, einen Katalog von Vorschriften zu befolgen, sondern darum, sich an Jesus persönlich zu halten. Wer wissen will, wohin die Reise geht, muss sich mit Ihm verbinden, Ihm anvertrauen, mit Ihm leben. Dann ist er auf dem Weg. Den Weg dorthin kennt ihr. Den Weg kennt ihr. Den Weg kennen wir. Wir müssen ihn „nur“ gehen.“
„Berufung beginnt mit einem Augen-Blick“
Regens Msgr. Andreas Rieg, Leiter des Priesterseminars
„Meine Lieblingsbibelstelle in Sachen Berufung ist Joh 1, 35-42, die Berufung der ersten Jünger, wie es der Evangelist Johannes schildert – auch weil dort mein Namenspatron eineRolle spielt, seine Berufung hat und seinen Weg findet. Hier wird klar: Berufung ist ein vielschichtiges Geschehen.
Johannes der Täufer richtet seinen Blick auf Jesus und sagt: „Seht, das Lamm Gottes.“ „Seht, das ist der Mensch, der nicht sich selbst, sondern ganz (zu) Gott gehört. Schaut ihn an!“ Kein Wort der Jünger. Sielassen den Täufer zurück, lösen sich von ihm und gehen Jesus nach. Da dreht sich Jesus um. Sie blicken auf Jesus, und Jesus blickt auf sie mit der Frage: „Was sucht ihr?“ Sie sagen: „Rabbi, wo wohnst du?“ Sie wollen weniger etwas von IHM wissen als vielmehr IHN erleben, und sie erfahren noch mehr: Denn wie kein anderer kommt Jesus von Gott, und wie kein anderer wohnt Jesus bei Gott.
„Kommt und seht!“ Da gingen sie mit ihm. Sie lassen sich darauf ein. Sie sehen und bleiben an diesem Tag bei IHM. Kein Wort darüber, was sie im Hause Jesu erlebt und was sie gesprochen haben. Am Ende steht eine sichere Ahnung, eine anfängliche Gewissheit: Jawohl, ER ist es – ER ist der Messias, ER ist ganz in Gott daheim, da wollen auch wir wohnen.
Einer von ihnen war Andreas, von dem es später heißt: Er führte seinen Bruder Simon Petrus zu Jesus. Berufung beginnt mit einem Augen-Blick – nicht nur beim Evangelisten Johannes. Es sind nicht Worte, keine Werbeslogans, sondern SEIN Blick, mit dem alles klar wird und der dann Entscheidung und Bewegung fordert: Berufung – Nachfolge. ER ist wesentlich, doch es geht nicht ohne Menschen: Der Täufer weist den Andreas auf Jesus hin und Andreas führt seinen Bruder Simon zu Jesus. Berufung ist kein isolierter innerer Vorgang. Sie ereignet sich im normalen Umfeld und der Zeuge, die Zeugin spielt dabei eine wesentliche Rolle– wobei klar ist: Es geht nicht um mich als Zeuge oder Zeugin, egal ob als Johannes oder Andreas oder Maria Magdalena oder …, sondern um Jesus Christus.
Nicht von Jesus wegführen, sondern zu IHM hinführen – das ist unsere Aufgabe. den Blick auf IHN nicht versperren, nicht verbauen. In der Gabe der eigenen Berufung steckt die Aufgabe, so dass es auch bei uns wie bei Andreas heißen möge: „Er führte ihn zu Jesus.“– D.h. zum Leben.“
„Auf eigenen Füßen stehen“
Michael Zöller, Ausbildungsleiter der Pastoralreferent/inn/en
„Mir gefällt eine Berufungsgeschichte, die von einer Heilung erzählt. Die Jünger Petrus und Johannes heilen einen Gelähmten, sodass er wieder gehen kann (Apg. 3, 1-11). Der Mann ist von Geburt an auf die Hilfe seiner Träger und auf die Almosen anderer angewiesen. Daher erhofft er am Tor zum Tempel auch von Petrus und Johannes eine milde Gabe. Zunächst enttäuschen ihn diese. Doch sie geben ihm im Namen Jesu Christi viel mehr: die Gesundheit.Die Jünger sehen den Gelähmten nicht in der Abhängigkeit eines Bettlers, sondern sie glauben daran, dass der Mann die Kraft zum Gehen besitzt. Sie richten ihn auf und das Unglaubliche geschieht: Der Gelähmte kann zum ersten Mal in seinem Leben gehen. Damit wird er zu einem selbständigen Menschen, der nun keine Träger und Almosen mehr braucht.
An der Seite der Jünger und auf gleicher Augenhöhe kann er den Tempel betreten. Dort preist er Gott vordem staunenden Volk. Der Geheilte wird zum Zeugen Gottes und zum Verkünder seiner Heilstaten. So sehe ich als Leitbild der Seelsorge, dass die Gläubigen mündige Christinnen und Christen sind. Von Gott berufen, stehen sie auf ihren eigenen Füßen und verkündigen ihren Glauben, den sie in ihrem Leben und Alltag inGesellschaft und Kirche umsetzen. Seelsorgerinnen und Seelsorger richten sie auf, machen sie stark und stehen ihnen dabei zur Seite.“
Petrus aber sagte: Silber und Gold besitze ich nicht.
Doch was ich habe, das gebe ich dir: Im Namen Jesu Christi, des Nazoräers, steh auf und geh umher! Und er fasste ihn an der rechten Hand und richtete ihn auf. Sogleich kam Kraft in seine Füße und Gelenke; er sprang auf, konnte stehen und ging umher. Dann ging er mit ihnen in den Tempel, lief und sprang umher und lobte Gott.
„Wachsen braucht Zeit“
Elisabeth Färber, Ausbildungsleiterin der Gemeindereferent/inn/en im Religionspädagogischen Mentorat
„Eine meiner Lieblings-Bibelstellen zum Thema Berufung: Das Gleichnis vom Senfkorn Lk 13,19: Es ist wie ein Senfkorn, das ein Mann nahm und in seinen Garten säte; es wuchs und wurde zu einem Baum und die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen.
Das Gleichnis vom Senfkorn ist für mich ein Bild, das mich fasziniert. Ein winzig kleines Samenkorn wird gesät, weil jemand entdeckt, was in ihm steckt. Alles ist in dem kleinen Korn schon da, es geht nur noch darum, dass es sich entfaltet und zu dem wird, was es werden kann und soll. Das Senfkorn wird nicht ins Gewächshaus oder ins Labor gesät, sondern in den Garten. Damit wird es der Sonne und dem Regen, dem Tag und der Nacht, dem Wind und der Trockenheit ausgesetzt – allen Wetterlagen des wirklichen Lebens.
Wachsen braucht Zeit: zum Keimen und Wurzeln bilden, zum Zweige ausbilden, zum sich Aufrichten und Ausrichten, zum Blüten und Früchte treiben. Nicht aus jeder Knospe wird eine Frucht. Mancher Zweig wird abgefressen. Und das Wesentliche, es gibt ein Ziel dieses Wachsens: zum Baum werden – Schatten und Schutz und Nahrung für das Leben von vielen „bunten Vögeln“.
Ein wunderbares Bild für das, was während Studium und Ausbildung und im Leben überhaupt geschehen kann. Wesentlich ist für mich: Respekt vor dem, was in den Studierenden von Anfang an schon da ist; für abwechslungsreiche Wachstumsbedingungen sorgen; wahrnehmen und sich mitfreuen, dass heute Menschen so leben und arbeiten, dass andere spüren: Gott ist mit uns.“
Es ist wie ein Senfkorn, das ein Mann nahm und in seinen Garten säte; es wuchs und wurde zu einem Baum und die Vögel des Himmels nisteten in seinen Zweigen.