Wer in der Diözese Rottenburg- Stuttgart Gemeindereferent:in werden will, kommt an ihr nicht vorbei: Julia Scharla (33) ist seit September 2021 als Leiterin des Religionspädagogischen Mentorats und Ausbildungsleiterin mit Studierenden auf dem Weg zum Beruf als Gemeinde- referent:in, ein Beruf, den sie selbst mehrere Jahre ausgeübt hat. Nun erzählt sie im Gespräch mit berufen von ihrer Arbeit, den Möglichkeiten auf dem Weg zum:zur Gemeindereferent:in und was diesen Beruf so wertvoll macht.

Welche Aufgaben haben Sie auf Ihrer Stelle und was ist dabei am wichtigsten?
Ich bin zuständig für die Studienphase aller angehenden Gemeindereferent:innen und auch für das erste Jahr der Berufseinführung, das berufspraktische Jahr, und begleite die Studierenden in diesen Phasen. Das Wichtigste dabei ist das Begleiten mit einem positiven Menschenbild. Ich begleite aber nicht nur die Studierenden, sondern auch ihre Praktika. Wenn die Studierenden dort in Kombination mit ihren Mentor:innen sind, braucht es ein offenes Ohr für beide Seiten.
Welche Aufgaben machen Ihnen besonders Spaß?
Meine positive und spannende Erfahrung ist, in welcher Vielfalt die Menschen kommen und auch studieren: von der 18-jährigen Abiturientin bis zur Dreifach-Mutter, die sich mit Mitte 40 nochmal umorientieren möchte. Auch die Vielfalt der Hochschulen: Es gibt inzwischen unglaublich viele Möglichkeiten und jede:r kann sich auf der Schiene vorarbeiten, die eigentlich gut zu einem passt. Was ich auch total genieße, ist der Austausch auf deutschlandweiter Ebene mit den Ausbildungsleitungskolleg:innen, weil wir ja in Deutschland auch auf ganz unterschiedlichen Wegen sind. Das zeigt aber auch nochmal, wie weit Katholische Kirche ist, denn irgendwie gehört dann trotzdem alles zusammen.

Welche Möglichkeiten gibt es, Gemeindereferent:in zu werden?
Die Hochschullandschaft ist sehr groß und wird auch immer größer. Wir haben natürlich eine große und enge Kooperation mit der Katholischen Hochschule Freiburg, bei der man Angewandte Theologie zusammen auch mit Sozialer Arbeit studieren kann, dann hat man in zehn Semestern zwei Bachelor-Abschlüsse. Ein ähnliches Angebot gibt es auch an Hochschulen in Mainz und Benediktbeuern. Und gerade für Leute mit Berufserfahrung, die sich nochmal umorientieren wollen, gibt’s jetzt die Katholische Hochschule in Paderborn, wo ein Fernstudium möglich ist. In Mainz und in St. Georgen kann man auch in Teilzeit ein Fernstudium machen, auch der Würzburger Fernkurs ist eine Möglichkeit zum Einstieg, im Anschluss geht es dann aber auch hier an einer Hochschule weiter. Das ist aber kein ganz klassischer Quereinstieg: Weil man eben einen eigenständigen Bachelor braucht, hat man stets einen Einschnitt.
Gleichzeitig ist es aber auch wichtig, dieses Studium zu haben. Schließlich ist der Beruf durchaus komplex und wir sollten unbedingt darauf achten, dass wir da keine Qualitätseinbußen hinnehmen, denn gerade im Umgang mit Menschen ist diese Qualität besonders notwendig. Aber ich glaube, es hilft auch den Gemeindereferent:innen selbst: Wenn ich keine professionellen Strategien entwickeln kann, bin ich in meinem Beruf schnell überfordert. Deshalb ist uns dieses Studium so wichtig.

Was macht den Beruf als Gemeindereferent:in denn so besonders, so schön und wertvoll?
Ich finde, der ganz große Gewinn ist die Vielfalt an Arbeitsfeldern. Man kann sich auch lange Zeit mit nur einer Sache beschäftigen, aber man muss es nicht, sondern kann in viele unterschiedliche Bereiche reingehen. Man kann für die Menschen da sein, man kann pastoral tätig sein an der Frohen Botschaft. Zusammen mit Ehrenamtlichen am Reich Gottes zu bauen, finde ich eine wunderbare Aufgabe, und gleichzeitig gibt es der Beruf auch her, eine Art eigene Spielwiese zu haben, was die Diözese ermöglicht. Man kann ein Feld entwickeln mit Dingen, auf die ich Lust habe, in denen ich mit Gott und mit den Menschen arbeiten kann. Und das alles passiert meist auch in einer großen Freiheit, weil ich dann doch in Absprache mit dem Team viele Entscheidungen einfach treffen kann.

Was war in Ihrer Zeit als Gemeindereferentin die schönste Aufgabe?
Für mich persönlich war das schönste Aufgabenfeld, wenn man von schön sprechen kann, der Beerdigungsdienst. Das war für mich unglaublich wertvoll, weil es mir immer wichtig war, Menschen zu begleiten. Das ist ein wunderbares Feld der Seelsorge. Außerdem interessieren mich auch einfach Lebensgeschichten von Menschen und das ist da ja immer ein wichtiges Thema. Nicht zuletzt liebe ich auch die Liturgie und den Weihrauch und das hat man eben bei einer Beerdigung alles. (lacht)

Warum braucht man Begleitung in seiner Ausbildung zum:zur Gemeindereferent:in? Was für einen Mehrwert bringt das?
Zum Studium der Angewandten Theologie oder der Praktischen Theologie, egal, wo man studiert, gehören viele Praktika. Ich suche dann die Praktikumsstellen aus und schaue gemeinsam mit den Studierenden, ob das auch passt. Da überlegen wir dann auch, wo es vielleicht später einmal hingehen könnte.
Dann ist ein großer Vorteil, dass wir auch die Stimmbildung und Sprecherziehung unterstützen, damit die Studierenden einfach ein gutes Fundament für den späteren Beruf haben. Es gibt ergänzende Bildungsveranstaltungen, die auf den Beruf abzielen oder den Blick weiten auf Felder wie Seelsorge mit Menschen mit Behinderung.
Auch spirituell unterstützen wir: Finanziell, wenn jemand Exerzitien machen möchte, und wenn jemand gerne eine geistliche Begleitung aus der Diözese hätte, kann man über unsere geistliche Mentorin Susanne Funk entweder eine geistliche Begleitung in der Nähe finden oder auch zu ihr gehen, wenn was ist.

Sie haben vorhin von der großen Vielfalt der Studierenden gesprochen, die zu Ihnen kommen und sich dafür interessieren. Inwieweit kann es hilfreich sein für den Beruf als Gemeindereferent:in, wenn ich schon ein bisschen mehr Lebenserfahrung habe?
Ich glaube, es hilft beim Verstehen und Ansprechen der Menschen. Meiner Meinung nach ist es ein großer Vorteil, dass wir so viele Berufsgruppen haben, dass wir auf so unterschiedliche Art Menschen ansprechen können, weil uns ja auch ganz unterschiedliche Typen in den Gemeinden begegnen. Und mit entsprechenden Vorerfahrungen in anderen Berufen hat man vielleicht auch andere Menschen, andere Gruppen im Blick, die sonst möglicherweise nicht immer gesehen werden.
Wahrscheinlich ist auch die Entscheidung stellenweise nochmal bewusster für die Kirche, weil die Leute eine lange Zeit in der Kirche erlebt haben und sich dann in nicht ganz einfachen Zeiten dafür entscheiden. Dann nochmal sein Leben umzukrempeln, halte ich für eine respektvolle Entscheidung. Dazu braucht es auch Mut. Oft höre ich jetzt, dass sich die jungen Studierenden von ihrem Freundeskreis anhören müssen: Wie kannst du denn bei der Kirche arbeiten? Obwohl wir ja viele Stärken haben und wir ja trotz der ganzen Skandale auch viel Wunderbares tun, braucht es schon Mut, sich heute für die Kirche zu entscheiden.

Was wünschen Sie sich denn für die Zukunft des Berufs Gemeindereferent:in? Wie darf sich das Berufsbild weiterentwickeln?
Ich denke, der Beruf sollte hinwachsen zu einem „Gemeinsam-Kirche-Bauen“, gemeinsam mit dem ganzen Pastoralteam, aber auch mit der Gemeinde und mit den Gläubigen innerhalb und außerhalb der Kirche. Im Studium wird diese Weite auch schon geschaffen, vor allem eben durch die Doppelstudiengänge, wo Menschen in den Blick kommen, die sich nicht im klassischen Kirchenmilieu bewegen.
In der Ausbildung müssen wir natürlich immer – ganz konziliar – auf die Zeichen der Zeit schauen: Was ist gerade nötig, was braucht‘s? Jetzt, nach der Corona-Zeit, brauchte man viele Gruppentreffen und es war wichtig, Methodenvielfalt zu lernen, da steuern wir jetzt eben nach. Trotzdem müssen wir immer im Blick behalten: Wo gehen wir hin und wer kommt zu uns? Wünschenswert ist einfach eine Kirche mit und für die Menschen, in Not und in Freude.

ZUR PERSON
Julia Scharla (33), gebürtig aus Bad Saulgau, studierte in Freiburg Pastoral- und Religionspädagogik und verbrachte ihr anschließendes Berufspraktisches Jahr in der Seelsorgeeinheit Westliches Schussental. Anschließend war sie Gemeindeassistentin in der Seelsorgeeinheit Reutlingen- Nord und ab 2018 Gemeindereferentin in der Seelsorgeeinheit Heilbronn-Sontheim. Seit September 2021 leitet sie nun das Religionspädagogische Mentorat der Diözese Rottenburg-Stuttgart.

TEXT: GABRIEL HÄUSSLER (22)